Mein Schreiben. Täglich.

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Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Heute startet ein Sieger!

∞  5 Dezember 2010, 17:33

Es ist fast zwei Jahre her, als der begnadete Schweizer Spitzenskifahrer Daniel Albrecht im Zielhang der Streif in Kitzbüehl stürzte, nachdem er mit 130 Stundenkilometern beim Zielsprung abhob und mit Rücklage auf dem Zielhang aufschlug.

Die Schweiz hatte nach Silvano Beltrametti, der in Val-d’Isère stürzte und seither im Rollstuhl sitzt, das nächste Trauma. Albrecht lag wochenlang mit einem Schädel-Hirn-Trauma im künstlichen Koma und musste sich danach alles wieder neu erarbeiten: Sprechen, laufen, Koordination etc.

Doch Albrecht wollte das bleiben, was er glaubte, noch in sich zu fühlen: Skirennfahrer. Er wurde nicht vom Team abgezogen. Carlo Janka, der immer zu ihm aufgesehen hatte und der noch heute sagt, dass er im Schatten von Albrecht sich in Ruhe entwickeln konnte, meint heute: “Jetzt stehe ich da – und Dani kann in meinem Rücken Schritt für Schritt machen.
Daniel Albrecht will heute abend zum Riesenslalom in den USA starten. Auf einer nicht ganz so schwierigen Piste gaben die Trainer das Einverständnis. Albrecht ist bestimmt noch nicht so weit, sich für den zweiten Lauf qualifizieren zu können. Aber nur schon die Tatsache, dass er in dieser Art wieder auf Skis stehen und fahren kann, ist ein Wunder. Es ist mehr: Es ist das Resultat einer Willensleistung, einer ganz besonderen Anstrengung, bei der bis heute auch immer die Vernunft mit dabei war: Albrecht wird mit Bedacht begleitet, und gebremst, wenn es nötig wird.
Was auch immer das endgültige Fazit über die Skirennfahrerzeit des Daniel Albrecht einmal sein wird: Es ist eine besondere Lebensgeschichte eines besonderen Menschen. Mit der besonnenen Art, mit der Albrecht über seine Situation in regelmässigen Interviews auskunft gegeben hat, beeindruckt sehr. Er hat eine ganz eigene Art gefunden, den neugierigen Nachfragern Antworten zu liefern und damit aber auch gleich zu bedeuten, dass wohl für keinen anderen Sportler so sehr der Weg das Ziel ist – auch wenn heute die Uhr mitlaufen wird.
Und ganz egal, was sie anzeigt: Wir erleben heute eine ganz besondere Geschichte – und ein besonderes Skirennen, in dem schon im ersten Lauf der Sieger feststeht. Und alle dürften das so sehen und sich darüber freuen!
Ich wünsche ihm, dass er ins Ziel kommt. Die Zeit ist dabei nebensächlich.
Er soll kriegen, was er sich wünscht: Rennfeeling. Und damit ein Stück mehr von der Identität, an die er sich vor nicht allzu langer Zeit gar nicht mehr erinnern konnte.