Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Handwerk fürs Virtuelle

∞  10 September 2013, 22:01

Vom Schreiber zum Darsteller?

Ich hab’ zwei linke Hände. Davon war ich immer überzeugt. Ich war der Verkäufer, der Beschreibende, der Vertreter, ich habe die Werke anderer angepriesen und ihnen zur Schönheit verholfen, zur Beachtung, die sie meiner Meinung nach verdienten.

Mit dem Internet entdeckte ich das Gefäss, auf dem ich mit Sprache so experimentieren und die dargestellten Dinge so präsentieren konnte, wie ich mir das wünschte. Direkt, ohne Eingriffe oder Autorisierungen Dritter, eigenverantwortlich, mit mehr oder weniger Sinn für Gestaltung. Ich war nicht länger nur Schreibender, nun wurde ich zum Darsteller, zum Layouter, zum Verleger, ich schaffte Verbindungen, studierte Computerprogramme, wurde Anwender, löste Knoten oder verzweifelte an ihnen. Ich begann ein paar Codes zu lernen, wurde schon mal zum Tüftler – und nun bin ich also Handwerker, mit etwas mehr Ahnung als andere, aber dabei höchstens mit Halbwissen ausgestattet. Und das kann ganz gehörig stressen:

Hoffnungsfroh als Helfer gesehen zu werden, ohne aber die für mich selbst virutell bleibenden Hardfacts einer realisierten oder eben bockig bleibenden Verbindung verstehen zu können, ist höchst unangenehm. Ich finde es völlig in Ordnung, für mich selbst auf Forschungstour zu gehen und verschiedenste Dinge auszuprobieren. Zu pröbeln. Ich verantworte ja dann auch jedes Scheitern und die sich pulverisierenden Stunden des Probierens und Scheiterns selbst, immer fasziniert von dem, was heute jedem möglich ist, der seinen Auftritt in der Öffentlichkeit des Netzes gestalten will. Aber ähnlich wie beim Smartphone ist das smarte längst nicht mit der Optik erschöpft. Dahinter verstecken sich unzählige Entscheidungen oder nicht wahrgenommene Weichenstellungen, wie ich meine Zugänge wirklich organisieren will – gerade so, wie ich als Smartphoner kaum je den wirklich für mich passenden Tarif nutze.

Ich bin also Handwerker geworden, vielleicht gar nicht der ungeschickteste oder unwissendste unter ihnen im I-Net – aber habe ich auch die Energie behalten, die es für einen wirklich guten Text braucht, Tag für Tag? Oder wenigstens einmal die Woche. Was würde aus meinem Schreiben zwischen zwei Kladden, handschriftlich im Moleskine verfasst, werden können? Würde es sich nicht ganz anders lesen, könnte man die Geschichten eher riechen, die Meinungen abgerundeter abwägen?

Ich möchte manchmal mehr Reisender sein, online mit Herz und Körper, im Geist frei von all diesem Handwerk, das doch nur virtuelle Realität verspricht.