Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Geschenkte Freude. Ganz tief.

∞  20 August 2011, 20:37

Wir sind heute gleich zweimal beschenkt worden. Dies auf sehr verschiedene Weisen, wobei beide Vorgänge mich unheimlich gefreut haben. Und so habe ich mir heute wieder mal ausführlich Gedanken dazu gemacht, welchen Segen es bedeutet, Freude zu schenken und zu teilen.


Am Morgen habe ich den Briefkasten geleert und darin Post vorgefunden. Ein grosser Umschlag, ein fester Karton darin. Die Schrift kannte ich sogleich. Meine Mutter. Ich lasse Post schon mal liegen und reisse nicht gleich alles auf. Aber in diesem Fall war das anders. Der Umschlag enthielt sehr lieb formulierte Glückwünsche zu einem für uns wichtigen Feiertag, einen tollen Batzen für einen Ausflug – und ein Aquarell, das sie vor knapp zehn Jahren gemalt hatte.

Es gefällt uns ausgezeichnet, und Geste, Grosszügligkeit und Geschenk sind so persönlich, dass mir sofort tausend Gedanken durch den Kopf schossen. Meine Mutter hat ganz bestimmt nicht immer alle meine, nicht alle unsere Gedanken verstanden, und sie musste auch einstecken. Ich habe mich – wie alle Kinder – emanzipieren müssen, und es hat lange gedauert, bis ich meinen Weg dazu gefunden habe. Verwandtschaften, die das aushalten, werden vielleicht nicht innig, aber sie zeichnet ein Grundgefühl aus, das sich daran orientiert, ob dieser andere Mench mit dem gleichen Blut mit seinem Leben zurecht kommt, und, wenn immer möglich, zufrieden oder gar glücklich leben kann. Unser Verhältnis in der Kernfamilie ist heute nicht innig, aber Söhne und Mutter respektieren sich sehr, mögen sich und richten sich durchaus auch an einanader auf. Ich drucke mittlerweile “das Internet für meine Mutter aus” und schicke ihr wöchentlich Post. Es ist ihr ein Fixpunkt in ihren manchmal einsamen Wochen geworden, und ich bin froh darum, weil sie mich so auch spüren kann – bin ich doch ein, man würde es kaum glauben, sehr schlechter Erzähler meines Alltags, wenn ich mich der Erwartung gegenüber sehe, ja nichts auszulassen – von den Dingen, die mir selbst bestimmt nicht wichtig sind.

Doch auf diesem Weg haben wir uns als Schreiber und Leser ein Stück weit gefunden, und mit diesem Geschenk macht sie Herrn und Frau Thinkabout nun von sich aus eine grosse Freude. Noch selten bin ich der guten Tradition des wöchentlichen Anrufs so gerne gefolgt, wie jetzt, denn in diesem Geschenk liegt auch noch der Sinn, dass sie mir damit ein Ergebnis ihres Talents schenkt, das ich gerne noch mehr gefördert hätte. Malen – dafür hatte sie immer Talent, von ihrem Vater her rührend, und leider gab sie diesem Talent kaum Raum. Es lohnte die Mühe nicht, war ja “unnütz” im Vergleich zur täglich zu leistenden Arbeit als Mutter und Hausfrau – und ich hatte doch selbst erlebt, was es brauchte, um mich endlich regelmässig vors Papier oder eben den weissen Bildschirm zu bringen.

Also teile ich ihr meine Freude mit – und ich erfahre, dass es auch eines ihrer Lieblingsbilder wäre, aber

Euch habe ich es herzlich gern gegeben.

Und es ist keine Floskel. Ich kann es spüren, der Hörer in meiner Hand wird warm. Und dann noch diese schöne Formulierung:

Ich habe auf eine kleine Freude für Euch gehofft. Dass die Freude so gross ist, macht mich sehr glücklich.

Ja. Besser kann ich es nicht sagen. Schenken von Herzen zu Herzen, das ist Glück. Und manchmal liegt in einem solchen Geschenk eine lange Geschichte, die damit wieder ein Stück weiter erzählt wird.

Danach waren die Clubmeisterschaften angesagt. Ich flachse noch zu Beginn in Richtung meines Gegners, der mehr ein Freund ist, und meine, gegen eine Kiste Pfifferlinge für den Kochtopf von Frau Thinkabout liesse ich mich eventuell zu einem Deal hinreissen… er schmunzelt nur, und gibt zur Antwort, er wolle mein Spiel nicht weiter beeinflussen – vor dem Spiel.

Ich gewinne tatsächlich, und als wir danach in Eintracht zusammen etwas trinken, und dann noch etwas, gesellt sich seine Frau dazu. Ich soll den Spruch mit den Pfifferlingen nochmals bringen, meint er, und schon wieder werde ich aufs Freundlichste angeschmunzelt: Im Auto würde eine Tragetasche auf mich warten, meint sie.

Später gehe ich tatsächlich mit einem Sack frisch am Vortag gesammelter Pilze nach Hause, und ich bin darob hellauf begeistert, weil ich mir schon den ganzen Heimweg die Verblüffung zuhause vorstelle, wenn ich Frau Thinkabout tatsächlich Pilze vor die Nase stelle. Und was für welche! Die beiden lieben Menschen sind passionierte Pilzsammler, und wenn sie von ihren Touren erzählen, dann leuchten ihre Augen und es ist gut herauszuhören, wie viel Sachverstand hier auch erworben wurde – und wie die Lust am gemeinsamen Hobby die Freude am Leben und an der Natur mehrt und die Lebensgeister Jahr für Jahr wachhält.

Für uns, die wir nur ein, zwei Mal im Jahr den Hintern hoch bringen, um “zum Pilzen zu gehen”, ist dies eine wunderbare Liebenswürdigkeit. Und mich freut sie deshalb so sehr, weil mein Freund damit etwas mit mir teilt, worin ich ihn immer wieder bestärke:
Seine Begeisterung für die Natur, für einfache Dinge und die Geschenke, die sie enthält, ist ansteckend, sprühend und reicht in die Tiefe: Die Tatsache, dass vor einem wunderbaren Mahl nur die körperliche Mühsal, die Suche steht, um zu entdecken und zu sammeln, wofür die Natur uns durchaus in die Reihe ihres Werdens und Vergehens stellt, ist ein Stück zurück erhaltene Erdung. Die Früchte des Waldes geniessen. Wer nimmt sich dafür noch die Mühe, die Zeit – und weiss noch wie? Dieses Teilen, dieses Schenken, diese abgetretenen Funde, mit persönlichem Aufwand, uns zum Geschenk – es ist wunderbar.

Danke den Boten dieses Tages. Sie bereichern mein Leben über das Heute hinaus.