Mein Schreiben. Täglich.

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Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Gegen die Volkswahl des Bundesrates

∞  5 Juni 2013, 15:00

Die Schweizer Bevölkerung stimmt am Wochenende darüber ab, ob sie zukünftig den Bundesrat direkt wählen will, oder ob auch in Zukunft die Schweizer Minister vom Parlament gewählt werden.

Warum nicht die Volkswahl? Schliesslich findet diese für die Exekutiven der Kantone längst statt. Dennoch bin ich dagegen, hier ins aktuelle Prozedere der Fraktionen des Bundesparlaments einzugreifen: Oft ist das Geschrei gross, von Ränkespielen die Rede und es geht das Wehklagen um, es würde dem Volkswillen nicht entsprochen und ein Geschacher um die Ministerposten betrieben. Was sich dem einzelnen Bürger nicht erschliessen mag, ist aber eine wesentliche Essenz der Arbeit der Parlamentsfraktionen; und haben sie an der Zusammensetzung der Regierung direkt mitgewirkt, gibt es in der Folge eine ganz andere Pflicht zur Zusammenarbeit. Haben die einzelnen Parteiengruppen Einfluss auf die Wahl, gibt es auch eine ganz andere Pflicht zur Kompensation, werden die Interessen der einen Seite bei einer Wahl einmal übergangen. Dieses ständige Ringen um das richtige Abbild der tatsächlichen Stärke, das sich doch der Dynamik und dem Zwang zur Zusammenarbeit in einer Mehrheitsregierung in einem Vielparteienstaat unterordnen muss, ist wesentlicher Teil des Schmieröls im Getriebe des Bundeshausbetriebes.

Wenn namentlich die SVP die Volkswahl der Bundesräte fordert, so gerade deswegen, weil sie ihre gewachsene Stärke in der Vergangenheit zu wenig schnell in der Landesregierung abgebildet glaubte – und weil sie darauf spekuliert, dass gerade die Volkswahl des Bundesrates der SVP die Gelegenheit gibt, medial laut zu politisieren. Dabei verkennt sie oder nimmt bewusst in Kauf, dass ihr genau das gleiche geschehen könnte, wie bei der Exekutivwahl in den Kantonen allzu oft zu beobachten war:
Die SVP feiert Erfolge in den Parlamenten, während ihre Regierungsvertreter es bei Wahlen oft erstaunlich schwer haben: Man will den SVP-Stachel im Sitzfleisch der Minister, aber nicht unbedingt die Minister mit diesem Parteibuch.
Ich glaube, dass sich die SVP dieser Gefahr sehr wohl bewusst ist, sie aber bewusst in Kauf nimmt: Es geht ihr um das Schaffen der politischen Bühne der Volkswahl des Bundesrates.

Lässt man das Spiel der Volkswahl auch für Bundesräte zu, öffnet man das Tor zu einer neuen Art Wahlkampf, die auch sehr viel Geld erfordert, was nicht unbedingt dazu beitragen wird, dass die Vielfalt in der Regierung gewahrt bleibt – nach so vielen Kriterien, wie sie aktuell im Parlament jeweils ins Feld geführt werden. Die sind zwar auch nicht immer zu erfüllen, aber sie bleiben doch eher wach und führen vor allem dazu, dass die Kultur für den Respekt gegenüber Minderheiten gewahrt bleibt und sich diese in der täglichen Parlamentsarbeit immer wieder niederschlagen kann.

Wir wählen unsere Parlamentarier nach Bern – und sie sollen entscheiden, welche Personen im Bundesrat die Arbeit mit dem Parlament und für die Schweiz in ihrer Vielfalt bewältigen sollen – einer Vielfalt mit vier Landesteilen und gefühlten mehr als zwanzig regional unterschiedlichen Identitäten. Diesen in der jeweiligen Ausmarchung der neuen Bundesräte eine Stimme zu geben, ist Teil der politischen Kultur des Landes und auch ein Schaufenster, in dem wir unsere Volksvertreter als – gebändigte – Machtpolitiker beobachten können.

Es gibt keinen Grund, an diesen Mechanismen irgend etwas zu ändern.