Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Gattungen in Berufen und in allen Kleidern

∞  5 Februar 2013, 19:56

istockphoto.com/MHJ

Ich habe heute einen Banker besucht. Das ist auch nur ein Mensch.

Und, ich will mal ehrlich sein und bitte Sie als Leser, es auch zu versuchen:

Es ist wirklich kein Schleck, einer Berufsgattung anzugehören, die so in Misskredit geraten ist und dafür in Gattungshaftung genommen zu werden, obwohl Mann selbst nur tagtäglich versuchen kann, nicht in mindestens einem Konflikt zerrieben zu werden. Und vielleicht ist es durchaus mal sinnvoll, auf sich selbst zu sehne und sich zu fragen, wie das denn ist mit dem eigenen Engel und dem Teufel?

Ist da nicht viel zu verteilen oder anzulegen, lässt sich leicht reden. Aber was geschieht denn mit mir Mensch, wenn ich plötzlich zu Geld komme? Jetzt habe ich Besitz, und selbst wenn ich davor ganz gut ohne auszukommen schien, ist die Chance doch sehr gross, dass die neue Faktenlage das Denken auch verändert. Denn wenn ich besitze, habe ich auch etwas zu verlieren. Ist man als Verkäufer immer auch ein wenig das Produkt seiner Kunden – keinen lässt kalt, was er bei denen erlebt, von denen er abhängig ist – so gibt es eben auch verschiedene Banker. Denn Kunden hören sich ganz verschieden an. Sie wollen Sicherheit für ihr Geld, um dann über mangelnde Rendite und Inflation zu klagen, oder sie wollen von Anfang an von ihrem Geld leben können, und das immer besser, so dass sich der Banker vielleicht als erster fragt, wo denn das enden soll mit den überrissenen Vorstellungen seiner Kunden?

Einen Kundenberater bei einer Bank macht sehr viel mehr aus als das Bankgeheimnis, auf das er und vor allem sein Kunden sich mehr oder weniger glaubt stützen zu können. Geld verwalten, (auf-)bewahren, anlegen – wenig lässt uns selbst so verschlossen werden wie der Umgang mit dem eigenen Vermögen. Und die Komplexität möglicher Anlagen wird immer extremer. Will man auch dabei Banken gerecht werden, dann muss man auch mal die Kunden sehr viel deutlicher mit meinen – denn Banker sind oft Auftragsgehilfen, sie erfüllen Renditeziele, kassieren Erfolgsprovisionen, aber wenn am Anfang der ganzen Vorgänge die Gier steht, dann ist es die Gier der Kunden.

In den Spitzen mag uns diese fremd sein, aber wir treiben alle auf dem gleichen Eisberg. Wir werden alle massloser, das nennen wir einfach “anspruchsvoller”. Wir entwickeln immer weiter den Anspruch nach dem Mehr, dann fühlen wir uns “erfolgreich”. Wir packen zu. Wir sind Macher. Wir suchen den Dreh. Wir bescheissen vielleicht nur im Kleinen. Aber wir haben immer weniger Mühe damit. Wohl keiner kann sich bezüglich Redlichkeit und Rechtschaffenheit mit der Generation seiner Grossväter vergleichen. Da fielen noch Sätze wie: “Wer etwas auf sich hält, der…”.

Das ist heute auch noch möglich. Nur lautet der zweite Teil des Satzes meist anders.