Mein Schreiben. Täglich.

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Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Gastfreund sein, kann sehr harte Arbeit bedeuten

∞  26 Mai 2011, 17:19

In einem Inlokal bedienen? Gibt es eine unmöglichere Aufgabe?


Als Bedienung in einem Restaurant, das, wie man so schön sagt, “brummt”, weil es “in” ist, zu arbeiten, ist einer der Jobs, die ich wirklich um nichts in der Welt ausüben möchte (oder könnte). Ich glaube, dass man da nach ein paar Stunden einen Kopf hat, der so dick ist, dass man meint, man passe durch keine Tür mehr. Immer wieder höre ich dann von Kollegen, die Serviertochter (schon dieser Name…) oder der Kellner wären auch ganz schön “flapsig”, oder “langsam”, oder dergleichen mehr. Und tatsächlich sieht man den Menschen in dem Job sehr schnell an, ob er ihnen so an die Knochen geht, wie es mir ginge, oder doch nicht. Ist es so, so bleibt einem ja irgendwie nur, ein Stück weit seinen Kopf auf “Durchzug” zu stellen. In dem Lokal dann zu speisen, ist aber nicht unbedingt besonders angenehm, weil man nicht unbedingt darauf vorbereitet ist, die schlechte Laune des Dienstleistungspersonals auffangen zu müssen. Wenn ich allerdings in einem solchen Restaurant das Essen einstellen muss, um noch vor dem letzten Bissen zum Wein zu kommen, den ich dazu bestellt habe, dann bin ich nicht so sehr auf die Bedienung sauer, die den Wein vergessen hat, sondern auf den Restaurant-Betreiber, der den Betrieb betreffend Personalkosten so sehr optimiert hat, dass die Angestellten einfach früher oder später nicht mehr nachkommen. Vielleicht sollte ich auch nicht auf den Pächter sauer sein, sondern auf den Verpächter, der, weil das Lokal an einem sehr netten Platz steht und entsprechend aufgemacht ist, eine Pacht verlangt, die einem Knebelvertrag alle Ehre macht.

Wie gesagt: Ich weiss es nicht. Aber eines weiss ich ganz gewiss: Wenn ich nettes Servierpersonal vorfinde, wenn ich bedient werde, als würde sich der Chef persönlich um mich kümmern, wenn mir gute Laune vorgelebt wird, obwohl ich doch schon der bin, der sitzt und essen darf, dann habe ich eine Perle vor mir: Einen Menschen, der in der allergrössten Hektik die Übersicht nicht verliert, vor allem aber nicht den Willen, Mängel mit Freundlichkeit wett zu machen und das Beste aus jeder Situation zu machen. Solchen Menschen wünsche ich dann auch die Gäste, die sich bedanken, auch mal die Schulter rücken, damit sie besser durchkommen und die Anerkennung des Chefs: Denn diese Personen sind es, welche ein Lokal erst zu einer Stube für den Gast machen. Es sind, wie so oft bei Menschen an der Front, zudem jene Personen, die oft für das kleinste Geld arbeiten. Vor ihnen ziehe ich den Hut.