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Ganz grosses Kino war die dreiwöchige Tortur auf jeden Fall.

∞  24 Juli 2011, 20:54

Die Tour de France hat grossen Sport gezeigt. Und wir wollen glauben, dass auch grosser Sport geboten wurde.


Die Tour de France 2011 ist zu Ende. Sie war eine grosse Bühne für einen grossen Wettkampf mit sehr viel Spannung bis zum Ende. Die Begeisterung der Zuschauer an der Strecke war noch etwas verrückter als in früheren Jahren, das Interesse für die TV-Übertragungen rund um den Globus ist ungebrochen. Alles ist also gut, das Gespenst der Skandale der letzten Jahre endgültig verbannt?

Die Tour hat Glück gehabt. Alberto Contador ist nur fünfter geworden. Das ist der Fahrer, der seinen Start gerichtlich erzwungen hat – und Erfolg damit haben musste, weil er für ein mutmassliches Dopingvergehen im letzten Jahr noch immer nicht mit einer Sperre belegt wurde, die dafür notwendigen Verfahren erst im Herbst zu Ende gebracht werden können.. Nicht auszudenken, wie die Tour gesehen würde, wenn sie Contador, wie auch immer, gewonnen hätte.

Die Tour de France ist als radsportliches und französisches Volkskulturereignis, entsprechend oft besungen, beschrieben und überhöht glorifiziert, grösser als jeder Skandal. Die Glorie bezieht sie nicht zuletzt aus ihrer Ursprungsgeschichte, für die galt, dass die unglaublichen Leistungen, die erbracht wurden, eher unmenschlich waren, unvorstellbar, heldenhaft. Dass die Helden damals auch ganz offen über die “Kräfte-Cocktails” sprachen, die sie einnahmen, um überhaupt durchzuhalten, schadete dem Ansehen nicht. Es war eine Art Begleitmusik.

Heute sind die Regeln andere, ist der Sport ganz allgemein als breit etablierte Bühne industrialisiert, in Sachen Medien genau so wie bezüglich der optimierten Vorbereitung bei Material – und Mensch. Den durch die Wissenschaft begünstigten Superathleten, dem der Sieg leicht fällt, will definitiv niemand sehen. Sind die Spiesse aber augenscheinlich gleich oder ähnlich lang, fasziniert die Fähigkeit zur übermenschlichen Willensleistung den Zuschauer. Radsport hat ein einfaches Wesen. Jeder kennt die Situation, mit einem Drahtesel am Beginn einer Steigung zu stehen. Die Leistung kann mitempfunden werden, mag sie noch so weit entfernt von den eigenen Möglichkeiten liegen – oder sie ist gerade deshalb so faszinierend.

Gedopt wird immer werden. Im Radsport wie in der Leichtathletik, im Tennis wie im Fussball.

Schlimm sind dabei in aller erster Linie die Ausflüchte Betroffener, werden sie erwischt – und die ungleiche Sanktionierung je nach Landesverband und Sportart. Der Sport krankt an den gleichen Symptomen wie die Politik:

Es werden Regeln definiert; die Möglichkeit einer daraus folgenden Sanktion aber wird gefürchtet. Dummerweise gibt es Welche, die glasklar als erwischt zu gelten haben. Dass es da Landesverbände wie Spanien gibt, welche die aberwitzigsten Erklärungen für den Verzehr von bestimmt verseuchtem Rindfleisch (Contador) fast dankbar aufnehmen – und Sperren dann aussetzen oder gar nicht erst aussprechen, ist nicht nur peinlich. Es hat etwas Kriminelles an sich. Und es verzerrt den Wettbewerb. Denn wenn die Urteilssprüche und –vollzüge so unterschiedlich in verschiedenen Ländern gehandhabt werden – so dürfte es bei der Art und Häufigkeit der Dopingkontrollen ähnlich aussehen.



Es war in Kommentaren von Sportjournalisten zu erfahren, dass die Tatsache, dass dieses Mal in der Tour de France so viele Fahrer bis zuletzt für den Sieg in Frage kamen, ein Indiz dafür sei, dass die Dopingbekämpfung Früchte trage. Ich mag mal vorsichtig bleiben. Auf jeden Fall schien sich kein Fahrer einen entscheidenden Vorteil verschafft zu haben. Oder keiner mehr als andere auch. Gesund ist ja Spitzensport in dieser Form in keinem Fall. Wie so mancher andere Job auch nicht. Die nächste Tour kommt bestimmt. Die nächste Dopinkontrolle auch.

Der Kampf geht weiter. Und das Ringen und Feilschen in der Gesellschaft über das Ansehen und die Bedingungen für sportliche Höchstleistungen auch. Naturgemäss wird es auch weiterhin dafür sehr unterschiedliche Meinungen geben – und dies ist nicht zuletzt durch verschiedene Mentalitäten nur schon innerhalb Europas bedingt. Und das wird so bleiben.

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Bild: m/ Bearbeitung dieses Fotos:
TdF, 2011, 11. Etappe, Endspurt in Lavaur; Foto Laurent Rebours/AP. Erschienen bei The Big Picture (The Boston Globe): Link