Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Futterneid, einmal ganz anders

∞  1 Oktober 2008, 19:15

Es ist offensichtlich: Ich werde alt. Ich brauche mittlerweile nur noch für eine halbe Stunde aus dem Haus zu gehen, und ich kann mich dabei durchwegs auf vertrauten Pfaden bewegen – dennoch kann ich fast ganz sicher sein, dass ich mich wundern werde. Und zwar so was von. So wie heute:

Ich stehe also in meinem kleinen, geliebten Migros. Der Einkaufswagen steht geduldig neben mir, die Wocheneinkäufe sind eingeladen, das Schwätzchen samt Witzchen mit dem Filialleiter ist geführt und die Dame, die auch heute die Yoghurts nachfüllt, ist so nett wie eh und je. Aber dann steht es da, der Extra-Waren-Display, der ganz offensichtlich auf eine Neuheit aufmerksam machen soll.

Ich ärgere mich schon aus der Distanz: Wieder so ein aufwendig verpacktes Instant-Menu, genannt Convenience Food, diese Evolution der Instant-Suppe, die heute den Yuppies die Rechtfertigung für die Designer-Küche liefern muss, weil man dafür wenigstens die Mikrowelle öffnen muss.

Und dann bin ich so nah dran, dass ich es lesen kann (und das muss heute näher sein als auch schon):

Hochglanzfarben, warm verlaufend, brillianter Druck, verführerischer Text:
Saftige Filetstreifen – mit Huhn – mit Truthahn
Zarte Stückchen – mit Rind – mit Kaninchen

Ja, genau. Es ist Katzenfutter. In diesem Fall der Marke Sheba. Aber das spielt keine Rolle. Das Muster ist immer das gleiche.
Gepflegter Tellerservice für das Kuschelmonster ist das mindeste in der Werbung. Keine Firma macht den Fehler, dem Wohlfühlsamtpfotenmiauz-Status des Katerichs in den Gefühlswogen ihres Frauchens (oder Herrchens?) nicht die absolut unbestreitbar hochehrbarste Referenz zu erweisen. Das hat längst bizarrste Formen angenommen.


Im Fall von Sheba können Sie sich Hintergrundbilder für den Desktop und das Handy herunter laden. Sie brauchen in keiner Lebenslage auf die soziale Kompetenz ihres Tierfutterproduzenten zu verzichten, wenn es darum geht, Ihrem liebsten Vierbeiner die gebotene Referenz zu erweisen und ihre Liebe zum Tierchen zum eigenen Pläsierchen machen zu können.

Wenn ich meinem indischen Freund, der im übrigen meinen ganzen Haushalt gleich mehrmals selbst finanzieren könnte, einen Werbespot bei uns zeigen müsste, so würde er uns als endgültig verrückt geworden betrachten. Und dabei hat er absolut Recht.


Bald ist Weihnachten. Das dürfte dann wieder in etwa so aussehen, wie bei www.epamedia.at:




Einen schönen Abend noch. Ich reagiere mich heute noch etwas beim Tennis ab. Dabei werde ich acht geben, dass ich nicht die streunende Katze des Bauern überfahre, die bei der Mäusejagd schon mal vergisst, dass da eine Landstrasse droht. Ich kann, wenn sie mögen, stattdessen ganz genau hinschauen. Aber ich bin ganz sicher und vesichere es Ihnen hiermit schon im voraus: Sie trägt keinen Latz und denkt gar nicht daran, vor dem Morgengrauen zurück ins Heim zu kriechen. Obwohl dort wohl kein Whiskas oder Sheba oder Katta oder wie auch immer droht. Oder winkt. Ach zum Teufel, wer wollte es den Katzen übel nehmen, dass sie zu Diven werden? Wenn der Frass nur halb so gut schmeckt, wie er aussieht, haben sie ein Herrschaftsleben. So lange nicht ein brasilianisches Strassenkind vorbei kommt und zum Nahrungskonkurrenten wird…

Und darum ist das hier auch nicht in allererster Linie eine Kritik an den Anbietern, sondern an uns Konsumenten.


°


update vom 3.10.08, 20h15


Marianne hat mich auf den folgenden Artikel hingewiesen, der eine weitere Facette des Themas beleuchtet:
Kekse für vierbeinige Feinschmecker in der baz online.




Abgelegt in den Themen
Gesellschaft
und
Vom Bild zum Wort



zum Fressen gern natürlich bleiben - und damit tiergerecht