Für einen Mann in Deinem Alter...
… bist du aber noch sehr schnell auf den Beinen
… bist du schlank und rank
… siehst du wirklich gut aus.
Solche Sätze hörte ich dieses Jahr schon öfter. Und sie wollen nicht aufhören…
Eigentlich hätte mich an diesen nett gemeinten Komplimenten schon die Einleitung stutzig machen sollen… Aber ich habe mir den dazu gehörenden neckenden Unterton in den Bemerkungen einfach gedacht und eingebildet…
Dummerweise ist mein tatsächliches gefühltes Alter so, dass solche Bemerkungen mich zu freuen beginnen – mit anderen Worten, für gewisse körperliche Verrichtungen muss ich gelegentlich den inneren Schweinehund bemühen. Und nun stelle ich fest, dass – fit oder nicht – ich regelmässig zehn Jahre älter geschätzt werde, als ich bin.
Damit einher geht eine schleichende Justierung verschiedener innerer Blickwinkel. Es ist in den verschiedensten Dingen keine Umkehr, aber eine Fokussierung da, ein abblättern von Rändern, ein vermehrtes Kopfschütteln über Unvernunft. Ein Bündeln der Kräfte und Aufmerksamkeiten. Was ja Reife bedeuten mag, aber auch ein Indiz ist für beschränkte Ressourcen…
Und nun habe ich die Bilder von den Clubmeisterschaften. Und da sehe ich einen verschwitzten älteren Herrn stehen, mit deutlicher Geheimratsecke und allgemein lichterem Haar als ich es von ihm kannte. Die Stirn ist hoch, das Gesicht kantig, die Haut nicht faltig, aber etwas bleich, und nicht nur seine Schultern sind breit…
Das bin ich, ohne Zweifel, denn den Kollegen daneben kenne ich. Und der da, der ich bin, ginge tatsächlich für 55 durch – ohne Aufpreis über den Ladentisch gereicht.
Ich brauche jetzt mal eine Pause. Und gehe zum Fussball. Also, zum Fussball gucken. Die Beine hoch gelagert. Das gestatte ich mir, so lange mein Blickfeld über die Nase, den Bauchnabel und die Fussspitzen hinweg ausgerichtet problemlos den ganzen Fernseher einschliesst, ohne dass ich den Hals zur Decke recke oder ein höheres Möbel für das TV-Gerät kaufe.
Einen schönen Abend und ein langes Leben wünsche ich Ihnen Allen.
Blogoscoop
