Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Frühlingspein und Frühlingsfreude

∞  9 April 2010, 19:59

Es ist ein milder Tag. Die Sonne fächert ihr Licht noch weich und mild über die Stadt. Wir können auf der Terrasse sitzen und ohne die Augen zusammenkneifen zu müssen, nach den Berggipfeln suchen, die allerdings in Dunst und Wolken gefangen bleiben. Der Frühling meldet sich nun langsam, vielleicht zwei Wochen später als üblich. Aber er wird das aufholen. Wo die Sonne hinkommt, kann man jedem Gras beim Wachsen fast zusehen. Die Wiesen werden schnell sattgrün, die Blüten machen die Bäume zu würdig starren Zauberwedeln. Der Zug schlägt über die Gleise und zwängt sich ins Städtchen. Hinter mir kündigt das Horn des Kursschiffes seine Ankunft an und verlangt Aufmerksamkeit, welche die Passanten lieber den Aushängen vor den Restaurants schenken. Was Essen? Und wo? Noch sind die Terrassen spärlich besetzt. Die Kellner haben Decken über die Stühle gelegt. Ich behalte die Jacke an, den Reissverschluss geöffnet, ich fühle mich wohl.
Der Serviertochter geht es da anders. Sie hat den witzigen, nonchalanten, haarscharf noch witzigen und vor allem waaaahnsinnig selbstbewussten Kellner abgelöst und serviert den Kaffee. Ich möchte ihr am liebsten den Tisch unters Tablett schieben… Die junge Frau wirkt furchtbar gehemmt, als hätte sie eine Starre in den Gelenken. Sie mag die Ellbogen kaum strecken, um die Tassen aufs Tischtuch zu stellen.
Dann fällt mir auf: Die Frau dürfte ziemlich kalt haben… Sie müht sich mit einer sehr sommerlich dünnen und kurzärmeligen Bluse für uns ab. Auf Deutsch: Der Dame dürfte saukalt sein. Ich kann knapp widerstehen, auf ihrem Unterarm nach ihrer bestimmt imposanten Hühnerhaut zu schielen und werde von ihr alsbald zur Kasse gebeten… Die Kreditkarte, die erfordert ja nun eine Pin-Eingabe. Weiss ich. Mach ich. Das Ding rattert auch und spuckt einen Beleg aus. Aber ist es auch richtig? Hier drin ist es warm, aber so dunkel. Die Fenster zur Terrasse wirken klein wie Bullaugen in einer Kombüse. Die Gäste hier drinnen sind etwa so mürrisch wie die Beleuchtung düster…
Das Mädchen, tschuldigung, die Dame ist nervös. Endlich taucht Kollege Weltgewandt auf und meint gönnerhaft, fast wäre alles richtig. Dann ist die Sache erledigt und ich trete ins Freie. Mein Blick geht über die noch kahlen Platanen entlang des Flanierwegs. Es ist definitiv ein schöner Ort. Aber für eine Frau ist dieser Ort heute nur eine Pein. Hoffentlich war es ihr erster Tag. Dann wird alles besser werden. Aber Kellnerinnen und Kellner wechseln an solchen Orten sehr oft wie die Jahreszeiten. So schnell und so häufig.

Neben uns macht die welsche Grossfamilie weiter auf Ferien. Nichts kann den Tag trüben. Und wir machen, dass wir weiter kommen zum botanischen Garten. Da konzentriert sich noch ein bisschen mehr fortgeschrittener Frühling: Wir können NOCH mehr Vorfreude ertragen und werden uns weiter berauschen lassen vom ewigen Wunder (Verzeihung: Vom noch immer zu beobachtenden Wunder) der vier Jahreszeiten. Und uns allen wünsche ich eine Beschäftigung, bei der wir uns sicher und nützlich fühlen. Nicht nur die ganze Saison lang. Das ganze Jahr. Und das nächste auch. Und…