Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Freud und Leid, Tag für Tag

∞  4 Mai 2011, 20:51

Es kommt das Leid,
es geht die Freud;
es kommt die Freud;
da geht das Leid.
Die Tage sind
immer dieselben.

Theodor Storm



An einem Tag fühle ich mich gut, am nächsten sehe ich alles in trübem Licht. Einmal spüre ich den Mut, jedem Problem die Stirn bieten zu können, dann wieder mag ich nicht den Kopf heben, um auch nur anzusehen, was mir im Weg steht. Dabei sind diese Tage – tatsächlich – einer wie der andere, so dass ich irr werden könnte an meinem schwankenden Mut.

Wir alle kennen Stimmungsschwankungen. Sie müssen nicht so tief gehen, wie hier beschrieben, um uns umzutreiben und die Frage zu stellen, warum das so ist?

Die Spur zu einer Antwort führt über die erste Reaktion zum heutigen Leitspruch von Theodor Storm.
JAAH. Mehr Gelassenheit, mehr Souveränität in den Alltagsstürmen. Das wünschen wir uns Alle. Wir denken an die buddhistischen Lehren, welche uns von den Anhaftungen befreien wollen, die uns unser Gefangensein in den Stimmungen aufbürdet.

Aber gilt mein eifriges Bejahen wirklich dem ganzen Gedanken? Ja, ich will mich weniger von persönlichem Kummer runterdrücken lassen, will dem nächsten Missgeschick heiter begegnen. Aber doch im Grunde nur, um die Wage nach meinem Dafürhalten anders zu eichen: Ich denke doch, wenn es mir gelänge, die düsteren Tage leichter zu nehmen, könnte ich die schönen Momente emotional noch mehr geniessen. Was ist denn um uns anderes vorhanden als die allgemeine Ansicht, dass die Lebenskunst darin bestünde, “intensiver” leben zu können? Die Einstellung, es zähle die Achtsamkeit für den Augenblick, wird von uns so verstanden, dass wir das Jetzt zu filtern versuchen, indem wir das Schöne festhalten, und das andere durchs Raster fallen lassen wollen.

Gelassenheit, Achtsamkeit, Gleichgewicht und stimmungsbefreiter Gleichmut meint aber etwas anderes: Es bedeutet, der Hochstimmung genau so misstrauisch zu begegnen wie dem Missmut. Auch so manche Freude entzündet ein Streichholz, das keine Kerze findet. Genau so wie der Kummer ist die Hochstimmung eine angeschubste Emotion, die uns durch den Tag spült: Es ist Bewegung in unserem Leben, Leid und Freude eben, aber wir können Beides nicht eher ablegen, als die Umstände uns dafür frei geben.

Und genau dies zu ändern, würde bedeuten, die Waage nicht länger am Ausschlag in eine Richtung hindern zu wollen – sondern sich gar nicht erst in eine der Schalen zu setzen. Zwei an einem Stab links und rechts aussen hängende Gewichte mögen noch so unterschiedlich schwer sein – es gibt für sie an diesem Stecken einen Punkt, an dem sie leicht in einer Balance gehalten werden können.

Den Tagen ihre Farbe lassen zu können, würde bedeuten, diesem Punkt an jedem Tag nahe zu sein, ihn zu finden und zu halten. Eintönigkeit ist etwas anderes als die sich dann zeigende Möglichkeit, hinter unsere Stimmungen zu blicken – und sie zu überwinden. Ich kann dann erkennen, wie sehr das gefühlte Hoch des Augenblicks zur Monotonie des scheinbar intensiven Lebens dazu gehört: Er ist Teil eines JoJo-Effekts, der mich am Ende nur müde macht.