Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Fragen lernen, um (eigene) Antworten zu finden

∞  29 August 2009, 21:12

Je länger je mehr ist für mich die Frage nach Gott, nach unserem Ursprung und dem Sinn unseres Lebens und Daseins zentral. Die Frage macht mich nicht ruhelos, da ich im Frieden mit ihr lebe. Damit will ich sagen, dass ich den Antworten, oder DER Antwort, die ich persönlich für mich dafür habe, nachspüren und nachleben darf, und dabei in aller Regel Gedanken und Empfindungen entwickeln und Beobachtungen machen darf, die mich ermutigen, weiter zu gehen.
Wenn Sie mich nun nach diesen Antworten fragen oder ich mich selbst frage, warum ich damit so zurückhaltend bin, so läge die Behauptung nicht fern, dass ich so wenig darüber schreibe, weil ich mich scheue, Widerspruch zu erzeugen. Ich glaube allerdings, sagen zu dürfen, dass dem nicht so ist. Ich geniesse es geradezu, in einer “unverfänglichen” Runde forsch konkreter zu werden, wenn das Thema auch nur angeschnitten wird, und ich habe auch kein Problem damit, mein eigenes Leben, meinen ganz konkreten Umgang mit der Frage zu erklären.
Nur ist damit keine Antwort für jemand anderen gefunden. Man kann seinen Glauben wie das Ruhen in einem atheistischen Weltbild zwar theoretisch erklären, davon erzählen, aber nachleben lässt sich davon nur, was man selbst als wahr für sich erkannt hat. Und dieses Nachleben beginnt nicht mit dem Nachbeten von Glaubenssätzen, ideologischen Dogmen oder Alltagsregeln – sondern mit dem Aushalten der Fragen, DER Fragestellung überhaupt?
In unserer konsumgesättigten Welt, die eine Schweinegrippe noch vor wenigen Wochen zum Anlass nahm, Untergangszenarien heraufzubeschwören und dadurch an einer Situation zu schnuppern, die tatsächlich für “die Gesellschaft an sich” bedrohlich werden könnte,gibt es nicht mehr Raum, Fragen ohne schnelle Antworten auszuhalten, sondern weniger. Wo die konkrete Lebensbedrohung sich in Berechnungen zur Demoskopie einer Gesellschaft erschöpft, wird das Leben gerne sorglos. Und damit versinkt auch die Sinnfrage allzu schnell in der nächsten Zerstreuung.
Wir haben verlernt, mit Fragen zu leben. Wir brauchen und wollen schnelle Antworten und geben uns dabei oft mit sehr wenig Qualität zufrieden. Wir fragen nicht mehr: Weiss ICH das wirklich, oder glaube ICH es tatsächlich? Wir schwimmen in einem Meer mehr oder weniger gesättigter Wesen, die ihren inneren Hunger sattsam betäubt haben, indem sie Sorglosigkeit teilen und verdrängen, was doch unvermeidlich wird: Die Begegnung mit der eigenen ganz persönlichen Endlichkeit, die man allein durchschreiten und erleben wird.
Aber das Leben wird farbiger, reicher, intensiver, sinnlicher und wahrhaft lebendiger, wenn man die Frage täglich zulässt und sie nicht fürs Totenbett aufbewahrt: Wer bin ich, was soll ich, bin ich von Gott geschaffen, ist die Ordnung, in der ich lebe zufällig, gibt es Aufgaben und welche Freude kann ich darin finden? So wie wir uns gewohnt sind, zu leben, werden wir, wenn wir solche Fragen bewusster stellen, ganz schnell auf Antworten dringen oder darum ringen. Dazu habe ich eigentlich nur eine Botschaft abzugeben:
Die Kunst, die Basis, um den eigenen Weg zu finden und zu tieferen Überzeugungen zu gelangen, ist nicht die Antwort an sich, sondern das Fragen lernen. Und dazu gehört ganz elementar auch die Fähigkeit, den Zustand auszuhalten, in dem die Antworten fehlen. Je besser mir das gelingt, um so erstaunter werde ich oft feststellen können, dass sich Knöpfe ganz natürlich lösen. Wirrknäuel lösen sich oft schwer und geheimnisvoll auf, aber danach ist der kontinuierliche Faden eine wirkliche Leitschnur. Eine Unsicherheit aushalten – das kann zuvor eine Aufgabe sein, die genügend Lehren in sich für mich bereit hält, und ich bin in keiner Weise weniger wert oder nicht lebensfähig, wenn mir Antworten fehlen. Wenn ich aber das Fragen aufgebe, wenn mir meine inneren Fragen zu beschwerlich werden, dann verzichte ich aus Kleinmut auf Lebenstiefe.
Dieses Fragen wird mich auch weiterhin begleiten – und ich will auch hier dazu Mut machen. Aus dieser Haltung heraus interessieren mich auch die Antworten meiner Mitmenschen, großer und unbekannter Geister, und nie war die Vielfalt und der Reichtum an Gedanken und Weisheiten größer, als wir sie heute kennen und studieren können. Wir sind jeden Tag dazu eingeladen, das Angebot zu nutzen.