Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Forum Publicum?

∞  10 Mai 2009, 12:06

Foren sind eine feine Sache. Man kann sich da auf einer ganz eigenen Plattform mit einem Nickname über alles mögliche unterhalten. Denn es gibt zu praktisch jedem denkbaren Thema ein eigenes Forum. Über die verschiedenen Möglichkeiten, eine Zwiebel zu schneiden, über die Schwierigkeiten, als Mutter und Frau den Berufseinstieg wieder zu schaffen genau so wie für Vergewaltigungsopfer und Kindsmissbrauch. Ein Forum hat einen Admin, der das Forum “führt” und Regeln dafür installiert haben mag, die einen Betrieb erleichtern. Vielleicht erlaubt die Software gar die Versendung von PN’s, wobei dann nie so richtig klar sein wird, wer das alles lesen kann und vor allem liest. Dass sie technisch gesehen gelesen werden können, ist aber ganz klar. Darum geht es hier aber nicht.

Sondern um die spezielle Krux jedes Forums:
Nehmen wir ein sensibles Thema an. Vermuten wir weiter, dass eine Person, die sich mit dieser Thematik quält, vielleicht als Kind geschlagen wird oder wurde, auf ein entsprechendes Forum stösst. Die Person wird erst mal mit klopfendem Herzen mitlesen, mit der Zeit vielleicht als Gast sich bemerkbar machen. Die Erfahrung ist erlösend, dass es Menschen gibt, die das, was man selbst mit sich trägt auch mit sich rum schleppen, als wäre es ein Stigma, über das man mit niemandem zu sprechen und das man niemandem zu erklären können glaubt.
Hier schreibt man sich seine Seele nieder, und wird verstanden. Ja, vielleicht sogar ohne viele Worte. Endlich ein Hort, an dem man sein darf, anerkannt wird, man etwas Wärme erfährt.

Ein solches Forum zu führen, ist, selbstredend, enorm anspruchsvoll. Meist haben diese Initiative Menschen ergriffen, die selbst betroffen waren und nach erfahrener Hilfe oder einem Prozess der eigenen Verarbeitung den Wunsch haben, Hilfe selbst anzubieten. Nicht nur die Teilnehmer des Forums machen Wandlungen durch, Administratoren tun es auch.

Wenn es Streit gibt unter den Admins und/oder den Moderatoren, wenn man sich gegen Angriffe von aussen, ob missliebig oder gut gemeint, wehren muss, dann kann der Vorteil der relativen Anonymität schnell zum Nachteil werden, und plötzlich ist der Hort zumindest für Einzelne ein Ort, der in sich zusammen bricht und nur neues Leid verursacht. Geschieht es gar, dass jemand ausgeschlossen wird, so wird der Betreffende mit ziemlicher Sicherheit ein ganz besonderes Gefühl der Ausgrenzung erfahren: Er oder sie ist jetzt “draussen”. Das bedeutet meist, dass keine Möglichkeit besteht, in Kontakt mit den “zurück gebliebenen” Forenteilnehmern zu bleiben.

Denn e-Mails oder andere private Kontaktdaten sind nicht ausgetauscht worden.
Was ursprünglich ein Vorteil war, ist nun Grund für zusätzliche Not.
Darum meine Meinung und meine Anregung für die Pflege von Foren:
Ein Administrator, der sich um Wege bemüht, auf denen Forenteilnehmer dazu ermuntert werden, sich wirklich privat auch unter einander auszutauschen, gewänne zusätzliche Glaubwürdigkeit. Denkbar sind z.B. Anleitungen und Empfehlungen dazu, wo und wie am Einfachsten ein zusätzliches Mail-Konto für den Austausch unter einander eingerichtet werden könnte.
Wer sich in einem Forum bewegt, sollte sich in jedem Fall bewusst sein, dass wirklich nachhaltig ihm weiter helfen wird, was er darin wirklich für sich selbst gewinnt:
Was davon kann ich mir so aneignen, dass es unabhängig von Personen zu meiner eigenen “Wahrheit” wird? Brauche ich nur den Zuspruch meines Forums, oder glaube ich daran, dass ich ein liebenswerter Mensch bin, auch wenn ich das Forum nicht mehr hätte?

Hilft mir das Forum, im realen Leben neue, eigene Kontakte zu knüpfen, oder igle ich mich ein?

Meiner Meinung nach wird über Foren, ihre mögliche Hilfestellung wie über deren Gefahren, viel zu wenig berichtet, geforscht und reflektiert.