Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Flügellahm auf Rolltreppen

∞  27 September 2013, 09:55

Wieso mag jemand den Kaffee mit Milch und Zucker, und für den nächsten kommt genau das nicht in Frage?

Sind wir uns bewusst, wie viel Individualität entsteht, auch bei uns selbst, ohne dass wir etwas dazu tun?

Warum fällt es uns so schwer, den Anspruch nach eigener Verwirklichung mit dem Wunsch zu verknüpfen, das mit der Vielfalt von Begegnungen mit Menschen zu verknüpfen?

Ich stehe auf Rolltreppen und gleite durch Konsumtempel, vorbei an starrenden Menschen, deren Blick von Warenauslagen gefangen wird.

Vor mir steht eine kleine junge Frau und zeigt ihrer Freundin auf dem iPhone Bilder von ihrem Hund. Dann wischt sie weiter und ich sehe über Ihre kleine Schulter auf der Rolltreppe ein Selbstportrait vor dem Spiegel in Unterwäsche.

Sie hat keinen Blick für mich, aber ich lasse sie unten hinter meiner eigenen Schulter zurück und kann mich nun fragen, ob sie wohl heute auch schwarz trägt?

Und wissen Sie, was mich daran wirklich traurig macht? Mein Grossvater hätte angesichts von so viel Intimität eine unruhige Nacht gehabt. Ich schlucke das Bild und es wandert in die Mülltonne der Flüchtigkeiten. Dass es mich nichts angeht, ist ja richtig – aber was lasse ich mich umgekehrt noch überhaupt was angehen?

Wir werden flügellahm, während die Rolltreppen uns immer höher tragen. Sportartikel sind im sechsten Stock. Bald wird es auch für diese Wegweisung eine App geben…