Ferientage vergoogeln
Das Internet macht alles einfacher. Auch und gerade die ausgeklügelte Planung von Ferien mit Wohlfühlgarantie.
Wenn Herr und Frau Thinkabout eine Reise machten, so war und ist das immer eine Lust. Dumm nur, dass man das mittlerweile so perfekt planen kann.
Wie lange ist es her, dass man die Karte (auf Papier, mit Kartondeckel!) konsultierte, sich Gedanken über die Route machte, Proviant richtete, die Koffer packte, wenn’s ins Hotel ging – und losfuhr. Auf der Strecke würde man dann vor dem Ziel Ausschau halten nach einem Lebensmittelgeschäft, um für den ersten Abend – wenn das Ziel ein Ferienhaus war – schon was einzukaufen, und bei der Anfahrt durch den Ort schnupperte man aus dem Fenster, um das erste gemütliche Restaurant auszumachen.
Vielleicht hätte man sich am zweiten Tag ins Tourismusbüro bemüht, um ein paar Vorschläge für Ausflüge einzuholen, oder man bekam diese schon vom Hotelangestellten vorgestellt.
Und heute? Heute ist das alles viel einfacher. Vor allem braucht man nichts dem Zufall zu überlassen. Die Fahrstrecke wird gegoogelt, wobei man sich die verschiedenen Routen gleich in Fahrtzeiten ausrechnen lässt, und bis man recherchiert hat, ob die Bilder, die für Orte entlang der Strecke Sehenswürdigkeiten versprechen, einen zusätzlichen Stopp notwendig machen, fallen einem die Augen zu und man verschiebt die weitere Planung auf morgen.
Viele Restaurants haben ja heute auch eine Webseite, auch wenn die im schlechtesten Sinn des Wortes meist sehr statisch ist. Dann ertappt man sich dabei, ob es denn wirklich ein Kriterium sei, wie und ob sich der Koch im Internet anpreist, und doch steht da auf dem Zettel schon bald eine Liste mit Namen. Und wenn so ne Liste mal existiert, dann will sie auch benutzt werden – wenn sie nicht verloren geht.
Die Wanderungen finden sich auch im Internet, mit Bewertungen und Schwierigkeitsgraden, für sportliche Wanderer oder Fussgänger geeignet, mit Erlebnisfaktor mit drei Sternen oder der Wahrscheinlichkeit einer Schönwetterdauerphase. Wenn man Pech hat, widerspricht der Darstellung jemand im Kommentar, und schon ist man womöglich versucht, die Person anzurufen – aber das geschieht ja nicht, denn wenn das Internet eines durch alle Hilfsmittel durchzieht, so ist es das: Selbst ist der Planer. Persönlicher Kontakt, Überraschung vor Ort? Pustekuchen. Genau das wird – im scheinbaren Idealfall – verhindert. Das Internet macht den gewieften Organisator unabhängig, und schon nach drei Tagen hat man die ersten 24 Stunden der nahen Ferien mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit frei von unliebsamen Überraschungen durchgeplant.
Wenn sich dann in den Ferien herausstellt, dass das im Internet eruierte Top-Restaurant vor einem halben Jahr dicht gemacht hat, der Wanderweg saniert wird und die Tochter vor Liebeskummer gar nichts sehen will ausser dem Bildschirm ihres iPads, bekommen die Ferien ihren Erlebnisfaktor, sofern man sich nicht ins Hotel zurückzieht, um Beschwerdebriefe zu schreiben, sondern auf der Piazza über das freie Tischchen stolpert und sich in den Stuhl fallen lässt, das gute Buch auf die Terrasse schleppt und die Zeit beim Schattenschlendern ohne Ziel ins Nachbardorf für sich gewinnt. Für sich allein oder die Liebste an der Seite. Was brauchen wir denn an Bestätigung, Planung und Sicherheit – ausser dem einen geschenkten Gefühl, jederzeit ohne fast alles auszukommen?
Darum ist Planung per Internet ja ganz schön – das konkrete Ergebnis aber sollte in nichts anderem gesucht werden, als im sicher eintreffenden Moment, in dem der erste Windhauch des ausgesuchten Orts die Wange berührt. Das Leben erwartet uns. Und wir bringen das eigene mit.