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Fakt: Deutsche und Franzosen können nicht miteinander

∞  25 November 2012, 16:14

mycomfor.com verweist auf einen Artikel in den Deutschen Wirtschafts Nachrichten mit dem Titel Gefahr für den Euro: Deutschland und Frankreich können nicht mehr miteinander.
Im Artikel werden dann zwar die unterschiedlichen Positionen in der aktuellen Debatte angesprochen, aber nicht wirklich das bestehende Verhältnis. Also will ich selbst dazu ein paar Gedanken äussern, die sich auf die tägliche (fehlende) Interaktion dieser Wirtschaftsparteien beziehen:

Die EU galt zumindest aus wirtschaftlicher Sicht lange Jahrzehnte als Erfolgsmodell: Prosperität und Entwicklung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit der Mitgliedsländer fördert den Wohlstand aller und damit auch den Frieden – oder die Friedensbereitschaft der Mitgliedstaaten.

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Lange Zeit konnte niemand argumentieren, dieses Ziel wäre nicht erreicht worden. Aber es wäre auch völlig verfehlt gewesen, hätte man behauptet, diese Interaktionen auf betriebswirtschaftlicher Ebene würden zwischen deutschen und französischen Firmen wirklich funktionieren. Tatsächlich dürfte meine Feststellung für viele Wirtschaftszweige gelten: Eine deutsche oder französische Firma mag europaweit oder weltweit gut vernetzt sein. Die entsprechenden Anbindungen ans Nachbarland sind höchst unterdurchschnittlich ausgebildet. Die Deutschen haben ein Sprachproblem, das ihnen eine zusätzliche Hürde zum Verständnis der französischen Mentalität in den Weg stellt, und die Franzosen sind nun mal die letzten, welche dieses Sprachproblem irgend jemandem, besonders aber den Deutschen nicht übelnehmen würden.

Die Franzosen mögen insgeheim die deutsche Qualitätsarbeit respektieren, jeder deutschen Grösse gegenüber haben sie aber weiterhin die empfindlichsten Vobehalte und beanspruchen die eigene übermässige Bedeutung niemandem gegenüber so vehement (oder heimlich renitent) wie gegenüber Deutschen. Die Wirtschaftssysteme, inklusive des Arbeitsrechts, sind nach einigermassen diametral gegenläufigen Prinzipien aufgebaut und entsprechend entwickelt. Deutsche Geschäfte müssen Franzosen wenn immer möglich über Dritte vermittelt werden, sollen sie erfolgreich sein. Ich kenne europaweit erfolgreiche deutsche Produzenten von Haushaltsprodukten – die eine ungelöste Baustelle auf der Europakarte haben: Die (eben nicht entsprechend) erfolgreiche Vertriebsstruktur in Frankreich.

Die unterschiedlichen Mentalitäten der Menschen reiben sich gerade dann ganz besonders, wenn es darum geht, in einer Handelsstruktur gegenseitiges Vertrauen aufzubauen. Ich kenne Beispiele von Rangeleien über den Treffpunkt, der für einen Franzosen natürlich in Frankreich liegen musste, von fehlender Bereitschaft, sich mit einem Deutschen in Englisch zu unterhalten, obwohl die Arbeit, über die man für die Zukunft sprach, notgedrungen Kenntnisse der englischen Sprache voraussetzte. Das mögen kleinliche Beispiele sein, aber es harkt einfach. Auf allen Ebenen.

Und in der aktuellen politischen Konstellation stehen den beiden Ländern nicht nur zwei völlig unterschiedliche Charaktere vor – sie gehören auch grundverschiedenen politischen Parteien an, was unter diesen Voraussetzungen auch sehr deutlich wird.

Das Gerüst der EU könnte unter der Tatsache der fehlenden inneren Verständigung zwischen Deutschen und Franzosen wirklich einer ganz besonderen Belastung ausgesetzt sein. Der zweite Weltkrieg war angesichts der wirtschaftlichen Entwicklung überwunden. Aber was, wenn diese Wirtschaft stottert und Uneinigkeit über Ursachen und Bekämpfung besteht und der früher Übermächtige erneut eine starke Position einnimmt? Auch und gerade in wirtschaftlichen Belangen?

Europa, du wirst es wieder schwer haben.