Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Europa: Kurzatmiges Denken, Handeln ohne Verbindlichkeit

∞  25 Juli 2012, 14:24

Schuldenkrise, Währungskrise, Finanzkrise. Rettungspakete, Revitalisierungsprogramme, Aufrufe, Beteuerungen. Und wo bleiben die verbindlichen Zusagen, die Schlussfolgerungen, die sich in konkret veränderter Organisation, also in Regulierungsmechanismen niederschlagen, die auch durchgesetzt werden können?

istockphoto.com/koun

Die Banken haben zu Dutzenden die Hilfe des Staates angerufen, weil ihnen die Liquidität ausging. Doch bei der Umsetzung der höheren Anforderungen an die Eigenkapitalbasis tun sie sich schwer und verlegen sich aufs Debattieren.

Die Mitgliedstaaten der Euro-Zone haben selbst die Minimalanforderungen an die eigene Maximal-Verschuldung ausser Acht gelassen – und an der so oder so fehlenden Durchsetzbarkeit dieser Anforderungen hat sich ebenfalls niemand gestört.

Die Firmen aller Länder preisen die Globaliserung und wollen an einem Spiel teilnehmen, bei dem alle Mannschaften die unterschiedlichsten Regeln befolgen. Aber die Chance auf den schnellen Erfolg ist einfach zu verlockend. Die Solarbranche erlebt gerade, was mit dem globalen Markt geschieht, wenn einzelne Länder die Spielregeln verändern – dann gibt es keine Rettung mehr.

Der Schock grosser Industrien in Deutschland über die schreckhaft anberaumte Energiewende sitzt tief – und wird auch andere Branchen dazu veranlassen, noch mehr darauf zu drängen, die Spielregeln selbst zu schreiben und solches in Zukunft zu verhindern: Wenn Verträge allseits gebrochen werden, regieren fortan so genannte Sachzwänge, und die schafft man zum eigenen Vorteil wo und wann immer möglich selbst.

Der Bürger wird derweil bombardiert von den Nachrichten über Zuschüsse an Länder und Banken, und auch wenn wir in keinem einzelnen Geschäft wirklich durchblicken können, auch wenn wir nie und nirgends umfassend und ausgewogen informiert sind (was sich immer monieren lässt), so sollte niemand unterschätzen, dass in unseren Staaten die Bürger innerlich stiften gehen: Sie werden bei einer Geschwindigkeitsübertretung umgehend zur Kasse gebeten, aber bei den grossen Volkswirtschaften und vielen Finanz- und Wirtschaftskonzernen lässt sich beobachten, dass hunderte von Milliarden bezahlt werden, ohne dass man erkennen könnte, dass im Bereich der Regulierungen, der Schaffung von verbindlich einzuhaltenden Verhaltensregeln auch nur einigermassen mit dem fliessenden Geld Schritt gehalten würde.

Wir halten es wie die Kinder: Eltern, die ständig drohen, aber nie sanktionieren, welche sich laufend durch ein aktuell zu sicherndes Wohlverhalten erpressen lassen, verlieren jede Autorität. Vielleicht kann dem Euro mit Hilfsprogrammen dieser Art durch den momentanen Sumpf geholfen werden, aber trocken gelegt wird die Landschaft noch immer nicht.

Vielleicht hat Europa den Kampf um seine wirtschaftliche Einheit genau deshalb schon verloren, weil Griechenland nicht Irland ist. Und Italien und Spanien und….?

Die Länder müssten sich unter einer gemeinsam akzeptierten Autorität zusammenfinden und dann den harten Weg gehen wollen. Und das wird nicht geschehen, weil dabei viel zu viele Parteien viel zu viel sehr schnell zu verlieren haben. Also versucht man, die bestehende Tinguely-Maschine am Laufen zu halten und sich so schnell wie möglich selbst aus dem Schlamassel heraus zu hieven. Über die kurze Zeit hinaus denkt niemand – und fühlt sich niemand gewählt. Und auch die Planungszyklen in den Unternehmen werden immer kürzer. Damit lässt sich keine konzeptionelle Gesundung mehr erreichen, die sich aus sich selbst heraus entwickeln kann. Wir sind kurzatmiger geworden. In jeder Beziehung.