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Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Europa: Kredite sind noch nicht Verluste.

∞  27 Juni 2012, 13:05

Wie viele EU-Gipfel hat es überhaupt schon gegeben? Hat noch jemand den Überblick?

Und wie zäh mahlen doch die Mühlen der Politik. Wie viel wird geredet und diskutiert und kolportiert – und über alles lässt sich berichten, ohne dass die grosse Mehrzahl der Interessierten, meine Person eingeschlossen, noch filtern könnten, was nun wichtig und substanziell ist, und was nur Luft.

Dennoch ist spürbar, dass die Zeit für einen substanziellen Umbau der Euro-Zone immer knapper wird. Und dabei wird, wie seinerzeit bei der staatlichen Bankenrettung in mehreren Ländern, deutlich, dass die Wahrnehmung der Öffentlichkeit in einem wesentlichen Punkt von der tatsächlichen Situation verheerend abweicht:

Es ist die Rede davon, wie viel ein Staat an Steuergeldern bereits für die Rettung einer Bank oder eines Landes oder eben einer Währung verschleudert hat – und dabei wird vergessen, dass selbst Deutschland bisher vor allem Kredite vergeben hat – Verluste aber erst dann eintreten, wenn diese Kredite nicht mehr zurück bezahlt werden. Es erhöhen sich also die Risiken, aber (noch) nicht die tatsächlichen Verluste. Das ist zwar kein Grund, die Situation zu verharmlosen, aber für die Beurteilung der möglichen nächsten Schritte doch ein wesentlicher Unterschied.

So hat sich in Deutschland mitterlweile die Meinung, Deutschland wäre ohne Euro besser dran, festgesetzt. Jeder glaubt, Deutschland würde Europa bezahlen. Das ist Blödsinn. Deutschland finanziert Europa als wichtigste Gläubigernation – und wird dann riesige Verluste einfahren, wenn der Euro zusammenbricht. Es muss daher akzeptiert werden, dass das Konstrukt der Europazone mit gemeinsamer Währung Regularien braucht, welche für die Nichteinhaltung von Vorgaben auch Strafen beinhaltet – aber es braucht dafür auch für den Start des Neuanfangs die Art von Grosszügigkeit, welche den grossen Schuldnerstaaten die Möglichkeit gibt, strukturelle Defizite auszugleichen. Wenn Italien für neue Kredite sechsmal höhere Zinsen bezahlt als Deutschland, wird es den Rückstand in der Wettbewerbsfähigkeit nie aufholen – und bankrott gehen. DAS wird richtig teuer und ist nicht im Sinne von Deutschland.

Können Sie sich noch an die Diskussionen über die faulen Wertpapiere der Grossbanken erinnern, welche der Staat übernehmen musste, um das Überleben dieser Banken möglich zu machen? Man hat von Abermilliarden-Summen an Verlusten für den Staat gesprochen. Das Wenigste davon ist wahr geworden: Die meisten dieser Positionen in Bad-Banken sind heute reduziert, zum Teil sogar mit Gewinn getilgt worden. Das Entscheidende dabei: Es wurde Zeit gewonnen und Liquidität geschaffen. Die Luft zum Atmen muss allerdings dazu führen, dass die Strukturen des ganzen Konstrukts des Bankensektors oder eben der Währungsunion verändert werden. Und dazu gehört die Erinnerung, dass es seinerzeit gerade die Deutschen waren, die mit der die 3% des BSP übersteigenden Neuverschuldung den Stabiltitätspakt und damit den einzigen Damm brachen, den die Währungsunion vorsah:

Europa hat nur diese eine Chance, diesen Fehler zu korrigieren, sich verpflichtende Regeln für schlechte Zeiten zu geben und mit dem Euro als Gemeinschaftswährung durch diese magere Phase zu kommen. In jedem anderen Fall wird es für ganz Europa zappenduster werden.