Erst tadeln, dann sogar anpreisen?
Herkunft Schweiz – längst nicht in allem ein Gütesiegel, sondern oft gerade in einer Art Wohlstandverwahrlosung ein ganz besonderes Jugendproblem.
Noch nicht so lange ist es her, da haben Jugendliche von der Zürcher Goldküste in München sich nicht nur geprügelt, sondern Schwächere nieder geknüppelt – bis zur tödlichen Verletzung. Und das geht uns alle etwas an. Dass ein Junge “doch alles hat”, ist schlicht und ganz offensichtlich eine falsche Wahrnehmung. Ihm fehlt das, worauf wir allenfalls, längst träge geworden, verzichten, viel bewusster: Authentizität, Identität, eine Rolle, die wichtig genug ist, , dass er sich anpassen kann und nicht um jeden Preis schockierend auffallen muss. Und die Leitplanke, die ihm jederzeit klar und deutlich sagt, was geht, und was nicht. Mit wirklich im Raum stehenden Sanktionen.
Wir müssen auch nicht mehr länger fassungslos nach Deutschland schauen, wenn da in Stuttgart oder Frankfurt im Stadion der Mob fast Amok läuft: In Zürich musste das Derby zwischen Zürich und den Grasshoppers abgebrochen werden, weil die Fans sich auf Rängen und der Tartanban Prügelorgien lieferten. Und kurze Zeit später lernte ganz Europa die Zürcher Fussballfans kennen – als in Rom beim massiven, an sich verbotenen Einsatz von Pyrotechnik sich zwei Personen verletzten – und zusätzlich ein Balljunge in Spitalpflege gebracht werden musste.
Die Vereine geben sich entsetzt – und mit ihnen, natürlich, auch das Fernsehen. Rainer Maria Salzgebers Miene bekundet in einem solchen Fall leichenbittere Betroffenheit – und sie ist sicher ,im Moment des Ereignisses, auch ehrlich gemeint. Aber: Das Problem ist auch die kompromitierende eigene Haltung, denn das Fernsehen profitiert von stimmungsvollen Bildern aus den Fankurven – so dass sich das SF nach wie vor nicht scheut, in Trailern, mit denen man für kommende Übertragungen von Fussballspielen wirbt, Ausschnitte mit durch Pyros illuminierten Zuschauerrängen zu zeigen.
Wo bitte ist hier das Hirn? Mitverantwortung fängt genau da an.
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