Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Entschleunigt in den Dezember

∞  29 November 2008, 21:57

Was für ein herrlicher Tag voller Sonnenschein. Es ist kalt, aber nicht eisig. Wir mümmeln uns ein in unsere dicken Lieblingsjacken und gehen spazieren.

Wir defilieren vorbei an einer blitzenden Reihe weinender Eiszapfen, deren Schönheit wir vielleicht als letzte sehen.
Manchmal denke ich: Es wäre schön, das jetzt mit der Kamera einzufangen. Und gleichzeitig bin ich froh, dass ich sie nicht dabei habe. Es gilt, allein für diesen Moment des Betrachtens hinzusehen. Ein Spaziergang als dauernde überzeugende Aufforderung, sich inmitten aller Vergänglichkeit am Augenblick zu erfreuen. Er wird nicht wieder kommen, aber ich kann ja vielleicht einen sorgsamen Blick üben, der mich weitere Schönheiten leichter erschliessen lässt, wenn mir der nächste Tag geschenkt wird, ähnlich und doch ganz anders.

Wenn wir wollen, können wir alle Dinge immer wieder neu sehen. Und anders. Wir sind damit nie an einem Ende angelangt.
Jetzt sitze ich zu Hause. Morgen ist erster Advent. Er wird in unzähligen Blogeinträgen weltweit beschrieben werden, und so manchem graust davor – und vor der fluffigen Lametta und dem Brimborium, das alles Feierliche mehr entstellen mag, statt es zu fördern.

Tatsächlich, wir haben unsere Wohnung geschmückt. Der 1. Advent kann kommen. Wir freuen uns auf diese Zeit, denn wir haben uns schon vor Jahren darauf besonnen, in diesem letzten Monat des Jahres unsere Betriebstemperatur zu senken und uns nicht zuletzt an bewussteren Kerzenabenden innerlich zu wärmen – und zum Beispiel eben einen solchen Spaziergang wie heute zu erinnern, den gesehenen Dingen nachzublicken und darüber nachzudenken, welche Begrifflichkeiten wir kennen für die Dinge in unserem Leben, und wie arm und oberflächlich unsere Wahrnehmung dieser Dinge in aller Regel ist.

Dabei reichte das, was Sie im Moment rund um sich sehen können und genau in diesem Moment zu denken und zu erinnern vermögen, bei weitem aus, um für den Rest Ihres Lebens darüber zu meditieren.

Keine Angst, Sie werden noch viele weitere Dinge sehen, Erlebnisse haben und Erfahrungen machen. Aber der Moment, dieses Jetzt, würde ausreichen, um uns ein Leben lang damit beschäftigen zu können. Also darf es ja vielleicht gerade in den kommenden Wochen von Zeit zu Zeit etwas langsamer zugehen.


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[Bildquelle: surforail.de ]




abgelegt in den Themen
Zeit und Leere
und
meditativ



habe das Wort Advent im Titel bewusst vermieden...