Mein Schreiben. Täglich.

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Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Engangement aller für mehr Mittelstand

∞  24 Mai 2012, 16:52

Richard David Precht war Gast im Tagesgespräch bei Radio DRS 1. Und mir hängen seine Gedanken durch den Nachmittag nach.

Er diagnostiziert nicht als Einziger die hauptsächliche und gefährliche Veränderung in unserer Gesellschaft, in welcher der Mittelstand ausgedünnt wird: Der allgemeine Wohlstand verteilt sich über das Ganze je länger je weniger von unten nach oben in Zwiebelform. Daraus wird mehr eine Sanduhr, mit weniger Profiteuren und mehr Menschen, die durch alle Netze fallen.

Was mir an Precht so sehr gefällt, ist, dass er einerseits es immer wieder schafft, die Dinge einfach zu erklären – manchem Akademiker mag es dann vielleicht zu einfach klingen. Aber das ist Voraussetzung dafür, dass auch über schnittige Lösungen nachgedacht wird. Und das ist das zweite, was mir gefällt: Precht macht dazu auch Vorschläge und stellt die Idee der Verpflichtung zum sozialen Dienst für die Bürger vor – einerseits an Stelle des Militär- oder Zivildienstes in jungen Jahren, andererseits zu Beginn der Rentnerzeit – wobei es als Kompensation eine Mindestrente geben soll.

Ich finde das bestechend, auch wenn man gleich anfügen mag, dass ein zwanghaft auferlegter Dienst fürs Gemeinwohl nicht funktionieren könne. Dagegen gibt es eine entwaffnende Replik, wenn Precht in den Raum stellt, dass die meisten jungen Rentner, sollten sie tatsächlich einige Stunden pro Woche ein Jahr lang sozialen Dienste verrichten, nach dem Jahr kaum würden aufhören wollen, weil ihnen z.B. der Achmed, dem Sie Nachhilfe in Deutsch erteilen, ans Herz gewachsen ist und sie Freude an ihrer sinnvollen Tätigkeit bekommen. Precht sagt, dass er immer wieder von Menschen angesprochen wird, die sich engagieren möchten, deren Wunsch aber nicht kanalisiert und also nicht genutzt würde.

Wenn er recht hat, ist es um uns alle vielleicht gar nicht so endgültig schlecht bestellt… Ein weiter Weg, der da noch vor uns steht, aber man kann der Konzentration grosser Vermögen auf weniger Menschen vom bestehenden Mittelstand nur damit begegnen, dass man Menschen “von unten” weiter Unterstützung bietet. Und niemand kann ernstlich etwas anderes wollen, denn der soziale Friede wird unser aller Sorge werden.