Mein Schreiben. Täglich.

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Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Energiewende mit und ohne direkte Demokratie

∞  16 September 2013, 22:04

Mir sitzt selbst als Beobachter heute noch der Schock, oder, etwas weniger reisserisch ausgedrückt, die tiefe Verwunderung in den Knochen über Frau Merkels brüske Kehrtwende in der Energiepolitik, als Fukushima ein Fanal war und noch nicht eine ferne Erinnerung an eine Peinlichkeit.

Für Merkel war klar: Es brauchte den Ausstieg aus der Atomenergie. Subito. Voraus mit dem Banner der Aufrechten vor der verängstigten Bevölkerung, als Mutter Courage. So weit so gut und in seiner Konsequenz und brachialen Eindeutigkeit durchaus höchst erstaunlich. Nur dumm, dass sie damit einen ganzen Rattenschwanz von Problemen lostrat, für die es keine Lösung gab und gibt, weshalb nun heftig zurück gerudert wird, aber mit möglichst wenig im Wasser aufplatschenden Rudern…

Offshore-Windparks, die zwar betriebsbereit wären, aber keine Infrastruktur für den produzierten Strom haben, weil die grossen Traversalen vor lauter Einsprachen nicht gebaut werden können. Die Solarindustrie unter Chinas Knute und die heimischen Stromgiganten im Abnützungskampf um Entschädigungen und Kompensationsgeschäfte in der schönen neuen Ordnung. Oder doch nicht? Wie werden die Pläne für die bestehenden AKW’s nach der Bundestagswahl aussehen und kommuniziert werden, während in Fuskushima die Wasserbecken weiter lecken und es weder in Deutschland noch in der Schweiz bis heute einen fixen Standort für die Zwischenlagerung, geschweige denn die Endlagerung des radioaktiven Abfalls gibt. Bleiben wir also in der Schweiz:

Auch hier bedeutete die politische Quintessenz der Ereignisse in Japan den Entscheid zum Ausstieg aus dem Atomstrom. Nur geht das hier einiges ruhiger zu und her, unter Respektierung bestehender Verträge und mit realistischeren Zeitplänen – und den genau gleichen problemaitschen Berechnungen alternativer Energiequellen bzw. von Speicherkraftwerken, die ihrerseits eine ganz miese Ökobilanz haben. Es gibt also diese Stolpersteine auch in der Schweiz, aber die Politik hat es viel einfacher, die eingeleiteten Schritte notfalls zu modifizieren. Der Grund dafür heisst

direkte Demokratie.

Denn im Gegensatz zu Deutschland kennt die Schweizer Politik nicht nur die Wut von Bürgerprotesten bei Castortransporten, sondern das Abstimmungsverhalten des Volkes. Schon vor Fukushima hat das Stimmvolk über den Bau eines zusätzlichen Atomkraftwerks in Kaiseraugst abgestimmt und nein gesagt, schon zuvor wurde der politische Wille der Bürger bei Betriebsverlängerungen bestehender Kraftwerke getestet, drohten Referenden und Hindernisse bei Sachfragen am laufenden Band: Energieversorgung ist eine Staatsaufgabe und damit regelmässig ein Abstimmungsthema. Die Folge ist, dass die Exekutive in einem Katastrophenfall wie Fukushima sehr viel einfacher abschätzen kann, welche Auswirkungen so eine Havarie auf die Stimmung der wirklichen Mehrheit der Bürger haben dürfte.

Und Folge ist dann auch, dass politische Weichenstellungen von der Wirtschaft viel eher akzpetiert werden, weil sie selbst abschätzen kann, dass es sich dabei nicht um Willkür sondern um Rahmenbedingungen handelt, die sich verändert haben. Und das würde hier bedeuten: Teure Bürgerproteste, unsicheren Ausgang writschaftlicher Grossprojekte – also suchen alle Parteien, Politik und Wirtschaft, rollierend Wege zur Energiewende, und nach der Festlegung der Grundsatzrichtung ist das Thema auch nicht mehr Wahlkampf, sondern harte Sachpolitik.

Wir sind einfach näher dran an denen, die uns regieren. Und das tut jedem, der regiert sehr gut. Und unserem Land auch.

Ja, auch wir fluchen über die Einsprachen, die Infrastrukturprojekte unsäglich langfädig vorwärts kommen lassen – bis zu 1000 Einsprachen für einen Bahnkilometer wurden schon gezählt – aber wir erhalten uns mit unserer zähen Sacharbeit ein unschätzbar hohes Gut:

Die Rechtssicherheit.

Auch für Wirtschaftsunternehmen.

Was die internationale Politik in diesen Bereichen in den letzten Jahren alles preis gegeben und welchen Schaden dies unumkehrbar angerichtet hat, lässt sich gar nicht abschätzen. Sicher aber ist, dass wir auf dem Weg sind, zu einem immer mehr fremdbestimmt regierten gläsernen Haufen zu werden, zu unserer eigenen Sicherheit, wie man sagt, denn Terroristen lauern überall.