Mein Schreiben. Täglich.

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Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Einfache Bedienung. Pah!

∞  3 Januar 2012, 17:00

Vor das tolle neue Seherlebnis hat Gott die Bedienungsanleitung gestellt.


Im Ernst: An nichts, finde ich, zeigt sich so drastisch, wie subjektiv unergründlich die so genannte Benutzerfreundlichkeit bei elektronischen Geräten ausfällt, wie bei neuen Fernsehern oder Videorecordern. Ich kenne gestandene Computernerds, welche seinerzeit die allergrösste Schwierigkeit hatten, ihren Videorecorder richtig zu programmieren.

Mit neuen Techniken ist oft eine neue Bedienerführung verbunden, und längst nicht allen erschliesst sich dabei die Logik der neuen Symbole und deren Anordnung, und der Grat zwischen dem neugierigen “einfach mal Probieren” und dem ablehnenden “noch so ein neuer Käse” ist schmal. Und je älter die Konsumenten und Anwender werden, umso deutlicher wird, wie kompliziert das vermeintlich Einfache ist. Dieser Ausspruch der einfachen Bedienung enthält im Grunde nichts als Hochnäsigkeit mit dem Anspruch: “Wer es auf dem Niveau nicht begreift, ist eh nicht Zielperson”.

Nicht? Schauen Sie sich mal, ohne sich in Bildläufe und Menusteuerungen solcher Geräte zu vertiefen, doch nur mal die Tasten und aufgedruckten Symbole an. Gehen Sie weiter davon aus, dass deren Bedeutung verstanden wird. Und stellen Sie sich dann vor, dass mit diesem Wissen eine Person das Gerät bedient, welche nicht mehr gut sieht und vielleicht auch noch schmerzende bis geschwollene Finger hat: Die meisten Tastenanordnungen sind sehr klein, stehen eng zusammen, sind kryptisch beschriftet – und werden sie getroffen, so reagieren sie auf nicht so behende Finger womöglich auch noch falsch.

Wir alle kennen das, wenn wir Oma oder Opa ein neues Radio schenken und es dann für die lieben Alten in Betrieb nehmen und es erklären wollen, da es ja “ganz leicht” ist. Es ist eben sehr schwierig – und irgendwie eine Schande, dass es nicht mehr Gerätehersteller gibt, die sich ganz gezielt dieser Probleme annehmen. Und ökonomisch dumm ist es auch noch, angesichts der wachsenden Anzahl betagter Personen, die womöglich auch noch allein leben.

Ich habe meiner Mutter zu Weihnachten einen digitalen Bilderrahmen geschenkt. Sie soll auch ein bisschen an den Inhalten auf “Lookabout” teilnehmen können. Ich war mir bewusst, dass ich auf grösste Einfachheit in der Bedienung achten sollte, obwohl meine Mutter gar nicht zu jenen gehört, die kaum mehr Neues annehmen können und wollen – und auch nicht Angst vor einer Bedienungsanleitung haben. Nun, ich habe einen solchen Bilderrahmen gefunden, gekauft, geschenkt, und mit ihr auch in Betrieb genommen. Und sie kommt damit auch zurecht.

Dass sie dafür minimal nur zwei Tasten bedienen muss, ist allerdings auch ein Glück, das uns einfach geschenkt wurde – und ich stelle auch hier wieder fest, wie schnell “einfach” kompliziert werden kann. Es ist dies wohl beim Altern eine der grössten Traurigkeiten: Die Kapitulationen vor den Hürden an der Teilnahme der Kommunikation und Unterhaltung häufen sich. Nun, es geht mit diesem Bilderrahmen. Die Tasten sind klein, stehen nah bei einander – aber es sind wenige. Und wenn sie die Gnade haben, zu wollen, dann reagieren sie auch auf Druck. Es ist eine billige Verarbeitung… Aber wenn’s läuft, dann macht es Freude. Und dafür hat es sich dann eben schon sehr gelohnt, das Risiko einzugehen, erneut erfahren zu müssen, dass etwas Bestimmtes “nichts mehr für mich ist”.

Schnell aufgeben ist nicht. Jawoll.
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PS: die Bedienungsanleitung habe ich ihr gar nicht dagelassen: Die ist so winzig klein geschrieben – da hätte sie keine Chance.