Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Eines Tages können wir zu alt sein

∞  2 März 2013, 19:01

Alle wollen unbedingt alt werden. Aber wem ist es vergönnt, es in Würde tun zu können?

Wir sind medizinisch so weit, dass die prognostizierte Lebenserwartung der heute Geborenen über 100 Jahre beträgt. Das Dilemma am Ende des Lebens nimmt dabei zu:

Wir halten unsere Körper funktionsfähig, lange über die geistige Frische hinaus. Dazu werden wir in einer Gesellschaft alt, welche die familiären Auffangnetze verliert, sie durch Institutionen ersetzt, über die sie vor allem die Kostendiskussion führt. Und der einzelne Mensch bewegt sich darin je älter er wird um so beratungsresitstenter:

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Alle betonen, dass es zu einem menschenwürdigen Altern gehört, dass man selbstbestimmt durch den Alltag gehen und also möglichst lange allein wohnen kann. Altersheime sind out. Die Städte sind voll von alten Menschen, die sich irgendwie in einsamen kleinen (oder grossen) Wohnungen durch den Alltag wursteln, bis irgendwann eine Situation angetroffen wird, in welcher der Weg von einem notfallmässigen Spitalaufenthalt direkt ins Pflegeheim führt. Die scheinbar so sehr verteidigte Selbständigkeit führt erst recht in die Fremdbestimmung, denn jetzt, wenn die Tatsachen eine schnelle “Lösung” verlangen, können genau diese Menschen nicht mehr wählen, sondern müssen akzeptieren, dass ihre Probleme über ihre Köpfe hinweg “gelöst” werden.

Es ist eine enorme Herausforderung, jene Dinge, die wirklich beeinflussbar sind und sinnvollerweise vorausschauend gelöst werden können, rechtzeitig anzupacken und so zu vereinfachen, dass altern nicht wirklich schwer wird. Und dazu gehört leider auch, dass man sich früher von lieb gewordenen Dingen trennt, als das Fallbeil eintretender Fakten eine Ablösung verlangt: Bewusst eingegangene Rücktritte, Verzicht auf Grösse und Vielfalt kennt den Lohn, die kleinere Welt wenigstens gestalten zu können, sie zu der eigenen persönlichen Welt zu machen – um sich anschliessend zu freuen, dass auch Ballast von den Schultern fällt.