Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Eine besondere Geschichte von Olympia

∞  8 August 2012, 18:52

Die Achterbahn eines euphorisierten Bronzemdaillengewinners, der Gold schon mal gewonnen zu haben glaubte und wieder hätte Gold gewinnen können.

Das Ereignis Olympia schafft schon sehr spezielle Geschichten. Wieviel davon einfach erklärbar wird, weil dies Wettkämpfe sind, die tatsächlich noch immer verknappt nur alle vier Jahre stattfinden oder wie viel dadurch gefördert wird, dass eine solche Aufmerksamkeit für das einzelne Ereignis entsteht – wer vermag das zu sagen? Auf jeden Fall schauen wir genauer hin – und erleben hautnah mit, wie viel einzelnen Protagonisten innert kürzester Zeit widerfahren kann – oder von ihnen geleistet wird.

istockphoto.com/koun

Am Tag, an dem Steve Guerdat zum zweiten Schweizer Olympiasieger dieser Spiele wurde, möchte ich den Blick auf den Drittplazierten richten und einfach mal seine Vor-Geschichte und die Eckpunkte seines heutigen Tages auflisten:

Der Irländer Cian O’Connor wird 2004 in Athen Olympiasieger – und muss seine Goldmedaille wenige Monate später wieder abgeben, weil sein Pferd als gedopt qualifiziert wurde – oder zumindest falsch medizinisch behandelt wurde.

Acht Jahr espäter ist er wieder Olympiateilnehmer – und glaubt, am Finaltag nur Zuschauer zu sein. Er hat den Cut für die Finalteilnahme um einen Platz verpasst. Bis er erfährt, dass der Schwede Bengtsson nicht starten kann, weil sein Pferd den medizinischen Check vor der Prüfung nicht bestanden hat (was nicht einen Doping-Befund bedeutet). Die Kontrollen und Vorsichtsmassnahmen zugunsten der Pferde sind in den letzten Jahren einfach massiv verstärkt worden.

Nun kann O’Connor also starten und ist, weil alles wieder bei null beginnt, wieder voll im Rennen. Und er reitet gut, steht nach dem ersten Umgang als einer von sechs Konkurrenten ohne Abwurf da. Von diesen sechs Konkurrenten mit Null Fehlern absolviert nur einer neben Guerdat den zweiten Durchgang fehlerlos: Cian O’Connor. Nur: Er ist um zwei Hunderststel zu langsam: 80.02 sec bedeuten eine Zeitstrafe von einem Punkt. Innert 18 Stunden vollführt er die gefühlsmässige Achterbahn vom Zuschauer zum doch noch respektierten Beinahe-Olympiasieger.

Das noch folgende Stechen um die Silbermedaille gegen Gerco Schröder absolviert O’Connor euphorisiert: Obwohl als zweiter Starter deutlich schneller unterwegs als der Holländer, jagt der Irländer sein Pferd auch in vollem Speed über die letzten Hindernisse – und reisst die letzte Stange des Tages. Bronze statt beinahe Gold oder danach auf dem Tablett bereit liegendes Silber – aber O’Connor strahlt übers ganze Gesicht und galoppiert eine erste Ehrenrunde. Seine Erleichterung über sein Comeback ist deutlich zu spüren und Bronze oder sonst eine Farbe des Edelmetalls komplett völlig egal.

Dies ist eben eine der Geschichten, die Olympia so besonders machen. Warum auch immer sie geschehen mögen – wer mag das schon sagen? Umgehen damit aber müssen alle, welche sie erleben. Und auch mancher Sieger steht am Anfang einer riesigen Herausforderung, weil sich schlagartig so viel im Leben eines Menschen verändern kann. Und: Was bitte kommt denn noch nach einem Olympiasieg?