Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Ein unbeschreibliches Erwachen

∞  1 Januar 2009, 10:41

(Um 18h20 leicht selbst lektoriert)

Ich schaue nun seit zehn Minuten aus dem Fenster und suche nach Worten, um das zu beschreiben, was ich sehe. Aber es gibt keine Worte noch eine Farbe, die ich nennen könnte, um das in Worten zu malen, was mir der Horizont darbietet, dort, wo sich frisch mit Puderzucker bestäubte Tannenspitzen in den Himmel tasten, während noch höher ragende, im Schwung gefrorene Birkenäste zweifellos in einem Moment des Glücks erstarrt sind.
Jeder Baum scheint sich zu bemühen, den Schnee, der sich frostig und doch schützend um seine hölzernen Glieder schmeichelt, stolzer und doch freudiger zu tragen als der Nachbar. Und gerade jetzt bricht ein goldener Flächenbrand über den Horizont herein und klart diese unwirkliche, samten purpurbläulichrosafarbene Kulisse von kitschigster und doch unerreicht schöner Natur auf, gibt allen Farben Wärme und färbt den Himmel einheitlich blau. Er verliert nun die atemberaubende Sänfte seiner pastellfarbenen blassbläulichen Durchsichtigkeit. Die Kraft des neu eingetroffenen Tages ist nicht länger nur ein Versprechen, ja nicht einmal ist sie länger Verheissung, wie gemacht für gläubig sich wandelnde Skeptiker. Nein, der Tag ist da und seine Pracht nicht zu übersehen. Es ist einer dieser klaren Momente, in denen alle das Wunder der Natur sehen können.

Nun ist dieser Himmel bereits intensiv hellblau, und die Bäume im weit und hell gewordenen Horizont sind mit Goldstaub verschneit worden. Bald sind die Farben weniger nuanciert, gleichförmiger, dafür noch stärker. Bald könnte man, mit der besten Kamera der Welt, beinahe fotografieren, was man sieht, beinahe wenigstens. Kann ein Gott allein solche Schönheit schaffen, selbst wenn er sich Jahrmillionen Zeit nimmt?

Wie ist es möglich, dass ein Jahr mit einem solchen Morgen beginnt? Ausgerechnet ein Neues Jahr, das wir doch so ersorgen, nach den Medien zu schliessen, die uns von uns erzählen oder von dem, was sie glauben, von uns zu wissen.

Diese Stunden nicht als Prognose gedeutet zu werden, sie sind keine Verheissung, brauchen keine Symbolik. Sie sind einfach. Magisch, weil sie stattfinden, hier und jetzt, weil ich keine Sekunde anhalten kann und doch einfach glücklich bin, dass sie geschehen, kommen und gehen, diese Sekunden. Eine nach der anderen. So möchte ich leben, möchten wir alle sein. Auch wenn es ganz schön anstrengend wäre, in diesem Staunen durch den Tag zu kommen. Wie wäre es da noch möglich, missmutig zu sein?


°
1. Jan. 09, ca. 09h00


Update von 11h10:


Mittlerweile war ich spazieren. Natürlich habe ich es trotzdem versucht: Fotografieren. Natürlich hatte ich Recht: Es lässt sich nicht dokumentieren. Nicht nur, weil der Tag nun schon älter geworden ist und seinen Weg geht. Es ist einfach viel schöner, als Celluloid oder digitale Speicherchips es erzählen könnten.

Wir alle haben diese Momente, diese Bilder und Erinnerungen, die auch lange nach dem Erleben noch sehr viel wunderbarer sind als jedes Foto. Heute ist ein Tag, diese Erinnerungen aufzufrischen, finde ich.
Frohes Neues Jahr!








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Achtsamkeit
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Im Schnee fällt das Staunen leicht, weil die Watte auf der Landschaft eh zur Stille mahnt