Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Ein Symbol ist tot. Und sonst?

∞  2 Mai 2011, 21:11

Osama bin Laden ist tot. Die Aufregung ist gross, die Erregung auch. Gewonnen ist noch nichts. Wir konstatieren auf jeden Fall neue Twitter-Rekorde. Und peinliche Verzwitscherer auch. Und was bleibt, ausser der Tatsache, dass die Börse auch zukünftig auf alles überreagieren wird?


Selten waren die Zeitungen von heute so sehr von gestern. In unseren frühen Morgenstunden trat der US-amerikanische Präsident Barack Obama vor die Medien und verkündete, dass eine Einheit der Navy Seals 100km nördlich von Islamabad Osama bin Laden gestellt und erschossen habe. So konnte man in den folgenden Stunden zumindest die News-Lage nach und nach zusammen setzen. Dabei wurde auch in diesem Fall dem Begriff “Lauffeuer” durch Twitter eine neue Dimension verliehen: Die Firma Twitter gab bekannt, dass zeitweise pro Sekunde (!) 4000 Meldungen zum Thema abgesetzt worden seien. Dabei brachten nicht wenige Zwitscherer in der Aufregung peinliche Tippfehler zustande. Nicht nur der Regierungssprecher der Bundeskanzerlin Angela Merkel, Steffen Seibert, vermeldete den Tod von Obama bin Laden, auch Fox News und andere grosse Medienhäuser schafften das gleiche.

George W. Bush gratulierte seinem Nachfolger im Präsidentenamt zum Erfolg und nannte die Erschiessung des Terroristenführers eine “Errungenschaft”. Der Mann ist zwar befreit von alten Amtsbürden, hat aber ganz offensichtlich noch immer seine liebe Mühe, Ereignisse verbal angemessen zu kommentieren. In New York bei Ground Zero tanzten die Leute vor Freude und feierten einen Tod. Die Börse jubilierte und folgerichtig stiegen viele Kurse.

Innert Stunden bekamen wir so die ganze Absurdität unserer Befindlichkeiten und deren Ausdruck vorgeführt. Tatsache ist: Die Welt dreht sich immer schneller, sie ist nicht mal mehr mit gezwitscherten Zwischenlauten zu erzählen, es sei denn, wir delektieren uns an unseren Verhaspelungen im grotesken Bemühen, es doch zu schaffen . Es wird in Emotionen gebadet und prognostiziert und proklamiert, was das Zeug hält.

Wahrscheinlich sinken die Kurse schon morgen wieder:

Denn auch das hat der elegante Herr aus dem Weissen Haus gesagt: Es ist, gerade jetzt, und auch in naher Zukunft, eher wahrscheinlicher geworden, dass neue Terroranschläge verübt werden. Die verstreuten Terror-Zellen werden zu beweisen versuchen, dass man noch immer Angst vor Al Kaida haben sollte – und ich bin sicher, auch an der Börse wird schon darauf gewettet.

Man hat einer Symbolfigur in den Kopf geschossen. Das ist ein starkes Bild und lässt Menschen durchatmen, die unter dem Terror tatsächlich gelitten haben. Alle anderen sollten dem Gedanken Raum und Zeit geben, dass am Ende doch ein Ausgleich unter den Kulturen stehen müsste, der die Ächtung jeder Form von terroristischer Gewalt mit einschliesst – und die Souveränität der einzelnen Staaten generell höher achtet. Und der Bürger, die in ihnen leben, auch.
Das, was hierzu die jungen Menschen in den arabischen Revolutionsbewegungen dieser Wochen vorleben, bringt Al Kaida und jede islamistische Hetzbewegung viel mehr in Bedrängnis als jede westliche Kommandoaktion.