Mein Schreiben. Täglich.

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Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Ein Stück Spirit für 2013

∞  1 Januar 2013, 11:32


istockphoto.com/PLBernier: Fans der Montreal Canadiens




Neujahr – Was ein Neubeginn werden könnte, nach allerlei Vorsätzen, wird sehr schnell Alltag sein bwz. die Fortsetzung der Tage und Abfolgen mit sich bringen. Kein einziges Problem, das wir wälzen, ist, natürlich, wegen des Jahreswechsels und ein paar Böllerschüssen und Feuerwerkskörpern verschwunden. Und dennoch schadet es gerade deswegen nichts, Symbolbilder für mögliche Veränderungen zu aktivieren – und sich um eine eigene andere Sicht der Dinge zu bemühen, um eine Austarierung der persönlichen Gewichtungen – und auch ein wenig Inspiration durch ein gutes Beispiel auf sich wirken zu lassen

- und darum weise ich an dieser Stelle gerne auf das Beispiel der international geltenden Eishockeykultur hin.

Der Spengler-Cup in Davos, das wohl grösste und schönste Eishockeyturnier Europas, das trotz fehlendem letztem sportlichem Ernst ganz wunderbar funktioniert, ist gerade wieder zu Ende gegangen. Zeit, mal ein paar Beobachtungen auszuformulieren, die ich über die Jahre immer wieder mache, nicht nur bei diesem Turnier: Eishockeyaner sind anders. Wohltuend anders.

Eishockey ist ein faszinierend schneller aber auch harter Sport. Von einer dieser Hartgummischeiben getroffen zu werden, ist bei aller Ausrüstung kein Schleck, gegen die Bande zu krachen oder aufs Eis zu fallen auch nicht. Die Einsätze sind kurz, extrem intensiv, die Belastung ist hoch, das Eis kalt, die Luft schnell mal heiss. Es wird auch mal geprügelt, Dampf abgelassen, und Hirnerschütterungen gehören zu den regelmässigen schweren Verletzungen. Es gibt Schnellverfahren, um fehlbare Spieler sofort sperren zu können – alles scheinbar Indizien auf einen Sport für Haudegen und Chaoten, für Schläger und Trickser. Aber das greift viel zu kurz.

Eishockeyspieler sind wie kaum andere Mannschaftssportler Teil eines Teams, praktisch jeder muss auch die defensive “Drecksarbeit” mit verrichten – in einem Spiel mit nur fünf Feldspielern ist einer, der abfällt, verheerend. Der Sport braucht extrem viel Kraft- und Konditionstraining, gleichzeitig können in langen Saisons viele Spiele bestritten werden – ideal für mit Einsatzwillen gepaarte Spielfreude. Timing und Schnelligkeit, schlittschuhläuferische Eleganz und Kraft als Bandenhobel – die Fülle der Aufgaben und nötigen Talente ist beträchtlich – und der Einsatz von Stock, Kufen und Ausrüstung legt jedem Spieler nahe, dass Regeln wichtig und zu respektieren sind. Und darum fällt auf:

Eishockeyspieler reklamieren (praktisch) nicht. Das gehört zu einer Art Kodex. Jedes Team hat einen Captain und zwei Assistenzcatpains – das sind die Spieler, die auf dem Eis mit den Schiedsrichtern reden. Wer eine Strafe kassiert, dreht ab zur Strafbank und hat sich für sich selbst zu ärgern. Dafür sind sich die Schiedsrichter nicht zu schade, auch mal an der Bande einem Coach den Grund für eine Entscheidung zu erklären. Es herrscht in der Akzeptanz der Autoritäten eine hohe Disziplin – und unter einander ein grosser Teamgeist: Wer neu in ein Team kommt, wird in aller Regel schnell akzeptiert – und leistet dazu auch seinen Beitrag. Eishockeyaner verstehen sich weltweit als eine Familie mit einem gemeinsamen Spirit, geprägt durch die nordamierikanische, vor allem kanadische Mentalität. Eishockey lebte schon immer von der Rivalität dreier Mentalitäten und Kulturen: Im kanadischen Element, im ständigen Widerstreit mit den Amerikanern in der gemeinsam gespielten NHL, in der russischen und der skandinavischen Art, Hockey zu spielen, sind drei Philosophien auszumachen, die in ständiger Rivalität mit einander stehen – aus der sich auch ein grosser Respekt herausgebildet hat.


istockphoto.com/simplequiet: “Celebrating a Win’
Fan der Boston Bruins feiert einen Treffer vor versammelten Fans der Vancouver Canucks
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So, wie Spieler und Mannschaften jenseits aller Erregung im Rencontre mit einander als Grundprinzip umgehen, so verhalten sich auch die Fans. Bis auf ganz wenige Clubmannschaften hat praktisch niemand mit ihnen grundlegende Probleme. Wer schon einmal an einer Eishockey-WM dabei war, hat unzählige Bilder von originell kostümierten Fans im Kopf, die sich vor und nach dem Spiel treffen, mit einander feiern und nicht selten während der Spiele auch gemischt mit einander unter den Zuschauern sitzen. Es gibt ganze Fan-Reiseprogramme, innerhalb derer sich die Fans verschiedener Nationen jeweils neu zu Treffen verabreden. Immer mehr Hallen haben eine passable Infrastruktur, man hat seinen Sitzplatz, ein bestimmtes kulinarisches Angebot, das Gebotene auf dem Eis ist in jedem Fall dynamisch schnell und Abwechslungsreich, und in den Drittelspausen ist genug Zeit, sich die Füsse zu vertreten. Vor allem aber wird eines vorgelebt: Man macht mit sportlichem Ehrgeiz Gewinner und Verlierer unter sich aus, es fliegen auch mal die Fetzen – aber man betreibt Wettkampf unter von allen respektieren und eingeforderten Regeln. Das ist der alles entscheidende letzte Knackpunkt.

Ich wünsche Ihnen für 2013 manchen Slapshot-Treffer und gutes Wiederaufstehen nach einem Check – und als Gewinner und Verlierer die Sicherheit, mit gemeinsamen Regeln leben zu können, die möglichst alle respektieren – und sonst eingefordert werden. Und darum wünsche ich uns allen den Mumm, dass wir dafür auch offen einstehen und daran arbeiten, dass sich das in unserer Gesellschaft verbessert. Wir brauchen das, um in Frieden leben zu können und unsere Leistung für diesen Frieden zu bringen – wirtschaftlich und sozial.