Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Ein Nachschlag zum Baumschlag

∞  22 März 2010, 11:33

Ich habe mein Auto für den Service zur Garage gefahren und laufe den Hang hoch, durch den Wald, vorbei an abgestorbenen Baumstümpfen, erwürgt von Efeu und anderen Schlingpflanzen. Teilweise sehe ich Spuren des Versuchs, diesen Tod aufzuhalten, indem ganze Stränge der Würger durchgesägt wurden. Doch das Stück Wald wird seinen Weg nehmen und sich verändern. Es wird wachsen, was nicht wachsen sollte, und zu früh sterben, was länger lebendig gedacht war. Zumindest nach meiner Vorstellung, von aussen gedacht. Ich glaube allerdings, dass ich nicht wirklich in den Wald hinein denken kann. Ich bin nicht mal sicher, ob ich “den Wald” überhaupt sehe.

Je höher ich steige, desto schwerer geht mein Atem. Der Wald wird dichter, harmonischer, gleichmässiger. Er wird hier bewirtschaftet. Dann sehe ich die Spuren, die Markierungen angekündigter Tode. Bäume in ähnlicher Dicke, in gleichmässigen Abständen, mit Bedacht ausgewählt, wie es scheint. Dann folgt ein Abschnitt, in dem die ausgewählten Stämme schon gefallen sind. Sie liegen in Bahnen, die Äste schon abgeschält, nackte und anonymisierte Stücke Holz, aus denen das Rauschen der Baumwipfel stumm entweicht. Jeden Tag wird dieses Holz ein bisschen mehr sterben, ohne dass wir ihm das Leben ganz austreiben werden.

Ich denke daran, dass ich auf den Bus verzichtet habe, dass ich bewusst zu Fuss unterwegs bin. Ich denke an die wenigen Kilometer, die ich Auto fahre im Jahr – und an die manchen, die es trotzdem noch weniger sein könnten. Ich muss daran denken, dass wir alle von Nachhaltigkeit reden, damit aber nur den Ersatz der Energie durch eine andere meinen – nie den Verzicht. Wir ehren den Fortschritt, legen ihm den Teppich aus, kurbeln die Wirtschaft damit an, schaffen Arbeitsplätze. Aber niemals steht am Ende der Bemühungen das Wort Verzicht. Das wäre ja auch unrealistisch. Damit es besser tönt, und wir damit nicht so saublöd verschwenderisch dastehen, erinnern wir ans Prinzip, das wir dafür erfunden haben. Wir reden vom Wachstum. Das notwendig ist. Für die Schaffung von Arbeitsplätzen. Und für die nächste Lohnerhöhung.

Zeit, heim zu kommen und die Tageszeitung zu lesen. Da ist bestimmt wieder viel von den verfluchten Managern zu lesen, die in ihrer Gier immer noch mehr Boni verlangen. Es ist wirklich ein Skandal.