Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Ein Bächlein für die Zuversicht

∞  12 Dezember 2009, 22:24

Die Beiden laufen einem Bächlein entlang. Der Regen hat aufgehört. Letzte Schneereste tropfen von der Böschung. Der Himmel ist zu grau, als dass sich der Schnee im an sich klaren Wasser spiegeln könnte.

Sie schaut nachdenklich einem Kiesel nach, den das Bächlein knapp und doch schwerelos um die eigene Achse dreht. Schon eine ganze Weile steht sie da, und er steht dabei und sucht im Wasser, was sie auch nicht findet.
Sie ist weit weg. Er wartet geduldig. Dann schaut sie ihn an. Er fragt:
“Woran denkst Du?”
Sie gehen weiter, langsam.
“An alles und nichts.”
Der Kies raschelt unter den schlurfenden Sohlen. Irgendwie sind ihrer beider Schritte schwer.
“Ich auch”, meint er.
“So viele Fragen, so viel Unverständnis, so viel Kalkül. Persönliche Angriffe, Geschrei, politische Winkelzüge. Und das Volk? Wer schaut wirklich hin? Was bringt es überhaupt, dagegen anzureden, für etwas oder gegen etwas zu sein? Was verteidigen wir eigentlich noch, ausser die Freiheit, gierig zu sein?”
Er befeuchtet sich die spröden Lippen, die sich zu einem sanften Lächeln geformt haben.
“Wenn die Menschen rufen, ja schreien, dann stellen sie im Grunde vielleicht eher Fragen? Manchmal möchte man Antworten. Manchmal gibt man sie vorschnell. Immer aber sollte man reden mit einander. So lange wir Angst haben, und sei es vor der Angst der anderen, glauben wir, etwas verlieren zu können. Vielleicht können wir – statt etwas zu verlieren – etwas neu gewinnen?”
Sie gehen schneller heimwärts, dem warmen Kaffee entgegen.
“Weisst Du, was schön ist?”
“Was?”
“Unser Gespräch von eben. Das führen Menschen ‘auf der anderen Seite’, die diesmal anderer Meinung sind als Du, als ich, vielleicht gerade auch.”

Kurz vor der Haustür schaut er über das Kulturland in der weiten Ebene, die gleichmässigen Furchen im Ackerboden, und er denkt daran, wie viel dieser Boden schon hervorgebracht hat in den langen Jahren, in denen er hier entlang spaziert ist, meist mit ihr an seiner Seite. Der Boden nimmt auf und gibt her, bringt Frucht und gefriert.

So lange wir dem Grundprinzip des gegenseitigen Respekts verpflichtet bleiben, so lange wir die Mühe nicht scheuen, sondern die Demut aufbringen, auf Verlangen sogar unsere Redlichkeit zu beweisen, so lange sind wir Teil eines demokratischen Kreislaufs, der Lösungen hervor bringt. Es ist unsere Verpflichtung. Denn wir sind das Volk.


Und jetzt wird die Kaffeemaschine angeworfen!