Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Du wirst Dein Leben meistern

∞  27 Januar 2014, 21:45

Ein guter Freund hat mir heute von seiner Tochter erzählt, die nach schwieriger Pubertät gerade das Leben entdeckt und nach wirklich schweren und dunklen Jahren sich endlich öffnen und über ihre Situation reflektieren kann. Was er mir erzählt hat, auch von ihren ganz normalen Teenager-Sorgen, die als junge Erwachsene ja nicht verschwinden, das hat mich sehr berührt – und Erinnerungen geweckt, auch wenn ich vor Ort, beim Zuhören schon genug damit zu tun hatte, meine eigenen ganz gegenwärtigen Empfindungen zu ordnen. Ich versuche mal eine stellvertretende Antwort, ein paar Worte an jene jungen Menschen, denen die Welt auch nicht so ganz geheuer ist, vielleicht auch einfach deswegen, weil sie sich mit unseren Sachzwängen noch nicht zufrieden geben wollen, sondern mehr erwarten vom Leben – und von sich selbst, was sehr quälend sein kann:

*

Ach Du!

Wie freut mich, was ich höre! Dass Du die Lehrstelle zugesagt bekommen hast, weiss ich schon ein wenig länger. Und nun sitzt Dein Paps vor mir und strahlt wie ein Honigkuchenpferd. Ich weiss zwar nicht, wie die wirklich strahlen, aber ich stelle es mir sehr süss und entwaffnend schön und herzlich vor. Sagt man halt so, wenigstens haben wir das so gesagt. Wichtig ist ja nur, dass er Dich lieb hat (und wie!) und dass er sieht, was Du vielleicht noch gar nicht so richtig checkst: Dass Du nämlich goldrichtig bist und viel mehr in Deinem Leben auf die Reihe kriegst, als manch andere in Deinem Alter. Und nun bist Du verliebt! Ja, meine Liebe, genau so passiert das: Unerklärlich ist es, nicht erzwingbar, einfach, patsch, ein Geschenk, das einem vor Glück ganz kirre werden lässt – oder saukindisch. Trau Dich ruhig, das Gefühl ist echt! Und dass Du es erlebst, zeigt Dir, wie offen Du geworden bist, und dass das Leben auf Dich wartet. Das tut es übrigens immer, auch in Zukunft. Es gibt Dich nie auf, will immer gelebt werden und dies mit Freude und einem dicken Ja zum Augenblick. Das ist manchmal sehr schwer und gerade vielleicht auch ganz leicht. Und dem darfst Du das ruhig so durchgehen lassen, dem Moment, dass er Dich so schüttelt und wärmt und dass er einfach fliesst, in den nächsten Augenblick und immer weiter.

Du trauerst den letzten Jahren nach, den dunklen Tagen, dem verpassten Erleben. Glaube mir, es ist gut möglich, dass Du später in Deinem Leben genau wegen dieser Jahre viel achtsamer mit Dir selbst umgehst – und viel mehr Bewusstsein für das Gegenwärtige entwickelst. Je älter wir werden, um so mehr Brüche gibt es in unserem Leben. Wir kämen aus dem Bedauern von Verpasstem gar nicht heraus, wenn wir erst einmal damit beginnen würden, uns auszumalen, was alles noch oder überhaupt ganz anders hätte sein können. Diese Aufzählung wird immer möglich sein und dazu gehören, zum Leben, und Du hast das Deinige, und es wird Dir ganz eigenen Reichtum schenken mögen, wenn Du bereit dafür bist. Es ist nämlich nur die Frage, welche Innensicht wir für diese Tatsache entwickeln können. Man kann auch dafür ein Lächeln finden, das dann in die Gegenwart mündet.

Du hast Mühe, Dich klar zu positionieren? Findest, Du hättest ja nicht mal ein richtiges Hobby? Keine oder nur ganz wenige Freunde? Ach, weisst Du, als junge Erwachsene hat man ganz hohe Ansprüche an das eigene Tun, man denkt schnell mal an Aussenwirkungen, um dann stellvertretend für andere ganz schnell über das eigene Tun zu urteilen, natürlich negativ, aber das ist, Verzeihung, Blödsinn. Ich habe selbst fünfundzwanzig Jahre lang keine Zeile geschrieben, weil ich damals, nicht viel älter als Du, beschloss, dass das, was ich da versuche, nichts taugt. Nun, seit bald zehn Jahren schreibe ich wieder. Und jetzt jeden Tag. Und weisst Du was? Ich verschwende keinen Gedanken mehr daran, wie gut das ist. Es ist mir wichtig, mich dabei zu entwickeln, aber mir kann es auch genügen, dass ich es tun darf – und ich habe verstanden, dass ich dabei gut mit mir selbst klar komme – oder dass die Tatsache, dass das gerade nicht der Fall ist – viel besser erträglich wird, ein Gesicht bekommt, wenn ich kreativ sein darf. Wie ich höre, malst Du, und das sehr gut. Sagen alle. Nur Du womöglich nicht. Mach mir einfach den Gefallen, und höre nicht damit auf. Lass Dir die Lust nicht nehmen, von mangelndem Selbstvertrauen. Du bist goldrichtig und womöglich viel weiter und sicherer als viele Deiner Alterskolleginnen. An die siehst Du nämlich nur heran, nicht in sie hinein. Mach einfach weiter mit diesen kleinen Dingen, die Dir Freude machen – und dadurch viel grösser werden als Du denkst.

Ich weiss Dich gern in Deiner Familie. Mit Zuwachs. Patchwork, das Du ganz offensichtlich gut annehmen kannst, mit Zutrauen, bereit, auch etwas zu wagen, Dich anzuvertrauen. Wenn ich einen Hut hätte, würde ich ihn ziehen. Du wirst noch selbst merken dürfen, auf was für einem guten Weg Du bist. Das wünsche ich Dir. Es ist übrigens nicht mehr und nicht weniger, als wir alle versuchen: Den guten Weg zu finden oder nicht zu verlassen und den nächsten Schritt bewusst zu machen. Viel mehr ist nicht zu tun. Alles andere ist Beilage. Und die Freunde, nicht nur DER Freund, die das gleich sehen wie Du und Kameradschaft für die Umsetzung suchen – die werden Dich finden. Oder Du sie. Genau so, wie das erste dicke Verliebtsein ist es ein Geschenk, tolle Menschen kennenlernen zu dürfen. Das wird anderen mit Dir genau so gehen.

Und die stillen Tage müssen nicht bedrohlich sein. Sie können auch helfen bei der Erdung. Aber wem sage ich das denn? Ich bin ganz sicher, dass Deine Menschen um Dich herum schon heute jeden Tag eine ganze Menge von Dir lernen können – und von Dir bekommen.

Auf das Leben, das vor Dir liegt!