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Doping. Geständnisse, wenn allgemeines Eingeständnis fehlt?

∞  13 Februar 2012, 17:22

Doping im Sport. Eine unerledigte, ja tatsächlich noch nicht mal thematisierte gesellschaftliche Grundproblematik voller Scheinheiligkeiten.

istockphoto.com/koun

Nun sind sie da, die Urteile gegen die Radstars Alberto Contador und Jan Ullrich. Neu daran ist, dass sie vor allem bei Jan Ullrich auf Indizien beruhen und es die positive A- und B-Probe dafür gar nicht benötigt hat. Die Erklärungsversuche der Radstars sind auch so abenteuerlich genug und angesichts der Faktenlage nicht haltbar. Dass namentlich in der spanischen Öffentlichkeit die Wahrnehmung eine ganz andere ist und sich Sportstars wie Rafael Nadal empört über die Verurteilung Contadors geben, beunruhigt doch eher, genau so, wie wenn die Journalisten Alberto Contador nach seiner Pressekonferenz nach Bekanntwerden des Urteils am Ende mit Applaus entlassen. Fehlt nur noch, dass sie für Autogramme angestanden wären.

Da scheint die deutsche Aufarbeitung dann doch eine andere zu sein: Da stört man sich praktisch in allen Kommentaren doch sehr an der nach wie vor höchst dürftigen “Entschuldigung” Jan Ullrichs, mit der er die Vergangenheit erledigt sehen möchte. Die Presse wird ihm den Gefallen kaum tun, auf jeden Fall nicht sofort.

Dass ausgerechnet jetzt die Firma Alpecin Reklame mit Jan Ullrich macht, grenzt in zweierlei Hinsicht an schieres Kabarett: Erstens soll er ausgerechnet ein Nachwuchskonzept für kommende Radstars unterstützen und zweitens wirbt Alpecin unter anderem bei seinem Shampoo mit dem Leitspruch: “Doping für die Haare.”

Das Lachen bleibt einem aber auch so im Halse stecken, denn so unbedarft, wie der Kommerz weiter rotiert, so tut es auch die Medienmaschinerie: Die Kritik kommt aus jenen Kreisen, die umgekehrt ständig neu vor der Tatsache kapitulieren, dass sich Sport nun mal verkauft – und entsprechend lau über das Thema Doping reflektiert wird, so lange ein Sünder nicht zum Abschuss frei gegeben am Pranger steht. Dann fordert man von ihm Ehrlichkeit, ein klares und eindeutiges Geständnis – gerade so, als wäre man selbst in jedem Fall auf der Seite des fairen sauberen Sports. Das ist aber schon sehr verlogen.

Die Tour de France – Siegerlisten dier letzten Jahre müssen laufend neu geschrieben werden, weil Dopingfälle bekannt werden – und dennoch zieht die Tour die Massen an und laufen dementsrpechend die Kameras als Profiteure und Claqueure, als Schmiermittel des Spektakels. Und so lange es möglich ist, dass die Akten eines Herrn Fuentes auch nach sechs Jahren der Öffentlichkeit noch nicht bekannt sind und die Leistungen eines Usain Bolts mit seinen ausserordentlichen körperlichen Voraussetzungen erklärt werden, ist jeder Kommentar danach, nach dem nächsten offen gelegten Skandal, im Grunde nur der Versuch, den eigenen Part schön zu reden.

Vielleicht wäre es an der Zeit, ein Tabu zu brechen? Wo sind z.B. die Erhebungen, die genau belegen, welche Art von Sport sich der gemeine Zuschauer eigentlich wünscht? Ist es ihm am Ende vielleicht gar egal? Wie manche Studie ist wohl schon angelegt worden, die versuchte, dazu erhellendes zu liefern – und die man angesichts der Resultate eher unter Verschuss behielt?

Ich vermute mal sehr, dass es höchstens vier gesicherte Leitsätze gibt, unter die man die allgemeine Einstellung der Sportkonsumenten zu Doping zusammen bringen kann:

Stört am Doping vor allem der Gedanke der Manipulation, mit dem die vermeintlich gleich langen Spiesse nicht mehr gegeben sind. Die Wettbewerbsverfälschung stört.

Sorgt man sich um die Auswüchse auf den Nachwuchsbereich. Wie soll ein offener Umgang mit leistungsfördernden Mitteln mit dem Drang junger Sportler und derer Eltern zur Spitze vereinbar sein?

Dürfte der Schutz des Spitzensportlers selbst wenig interessieren: Unserem individualistischen Ansatz entspricht, dass jeder selbst für sich wissen muss, was für ihn noch akzeptabel ist, und was nicht. Die Teilnehmer an Volksläufen verfahren ja auch nach genau diesem Prinzip.

Die eigenen Sporthelden sind selbstverständlich viel sauberer als die gegnerischen.

Tja, und wie gehen wir nun mit Doping um, so dass ein Erwischter sich nicht bitter fragen muss, warum nun ausgerechnet er sich von Scheinheiligen als Heuchler vorführen lassen muss? Aus dieser Sicht wird die Ausflucht in jeder Lage plötzlich verständlich.

In diesem Licht sind auch die auffallend zurückhaltenden Kommentare unter den Herren Pedaleuren zu Contadors Sperre schon fast wieder sympathisch ehrlich.

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