Mein Schreiben. Täglich.

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Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Distanz von mir aus ja, aber bitte nicht zur Praxis

∞  6 Januar 2014, 22:43

Wie ist das eigentlich? Wie wenig muss ein Chef oder eine Chefin tun, dass nur schon die äussere Erscheinung, sagen wir mal, freundlich ausgedrückt, die Haltung des Chefs, auf Mitarbeiter, Leistung und Wirkung der ganzen Firma abfärbt?

Mich irritiert im aktuellen Fall meine heutige Wahrnehmung in ihrer Stärke, weiss ich doch, dass meine Schlussfolgerung tatsächlich extrem an den Haaren herbei gezogen sein muss. Und trotzdem werde ich sie nicht los.

Also: Dieser Chef, von dem ich hier rede, ist eine Chefin, was es schon wieder oder noch immer schwierig macht, weiter zu fahren. Warum eigentlich? Also, doch weiter: Sie steht dem Unternehmen seit kurzem vor, wie sie selbst in einer Rede erklärt hat, was sie nicht daran hinderte, just bei dieser Gelegenheit vor etwa dreihundert Leuten zu erklären, sie würde nachher durch die Abteilungen gehen und gerne “alle Fragen, die man an sie hätte, beantworten”. Ob Sie das bei einem Zeitfenster von einer geschätzten Stunde wohl ernst meinte oder ob sie in ihrem Deux Pièce versteckte Flügel eingebaut hat? Ich habe sie auf jeden Fall anschliessend nicht mehr zu Gesicht bekommen. Ich habe aber auch nicht nach ihr gesucht, denn ich war in einer kleinen Ecke des Unternehmens ausreichend damit beschäftigt, das organisatorische Chaos zu glätten, damit ihre Angestellten anschliessend die Arbeit tun konnten, für die sie ja eigentlich zugeteilt waren.

Und heute nun habe ich in diesem gleichen Betrieb viele freundliche Menschen angetroffen, die ihren Beruf offensichtlich lieben und mit denen sich gut arbeiten liess – als sie denn endlich mal auf der Matte standen. Ohne Plan, ohne Struktur, ohne jede Einbettung in einen konzeptionellen Ablauf lässt sich manchmal nicht mal vernünftig hämmern. Ich stelle erneut fest: Wunderbare Berufsleute, wenn sie dann endlich mal in ihrer Arbeit angekommen sind – aber eine Führung, die keine ist, eine Verwaltung, welche die Arbeitsressourcen nicht mal verwaltet, geschweige denn kanalisiert und bestmöglichst nutzt. In dieser Firma habe ich nun diverse Führungsebenen beschnuppern können – bei keiner hatte ich den Eindruck, dass da jemand vorausschauend durch den Tag werkelt. Was nicht bedeutet, dass sich nicht alle freundlich und geschäftig bemühen würden, wenn man das Problem, das sonst vielleicht gar nicht entstanden wäre, an sie heran trägt.

Und wer begegnet mir danach auf dem Parkplatz? Die besagte Chefin, zwei Organisationsstufen oberhalb ihrer Mitarbeiter, mit denen ich heute zu tun hatte, nicht wirklich dafür verantwortlich. Sie hat gerade Feierabend, grüsst mich freundlich und steigt in ihr Auto. Wächsern und blass wirkt sie, kühl, aber auch fokussiert? Vielleicht braucht sie ja einfach Zeit, vielleicht aber bleibt sie auch so weit von ihren Leuten distanziert, dass sie als Neutrum agiert – und dann werden sich keine Veränderungen ergeben, welche zum Wohl der Kunden und des Unternehmens Wirkung zeigen.

Ich blicke auf das Nummernschild des davon gleitenden dunklen Schlittens. Es ist das Kennzeichen eines fernen Kantons. Sie hat einen weiten Weg, bis sie in ihrem Betrieb angekommen sein wird. Morgen, vielleicht auch noch übermorgen. Bis sie hoffentlich Fuss fasst, eine Wohnung in der Nähe findet und die Menschen nicht verwaltet, sondern wirklich führt. Und zwar so, dass sie dabei die Kunden im Blick hat. Ganz menschlich gesprochen.