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Direkte Demokratie und das richtige Recht

∞  3 April 2012, 19:11

Wir erleben in der Schweiz gerade ein klassisches Beispiel der besonderen Herausforderung, welche die direkte Demokratie mit sich bringen kann:

istockphoto.com/koun

Die Schweizer Stimmbürger haben überraschend die “Zweitwohnungsinitiative” angenommen, nach der in keiner Gemeinde mehr als 20% der Wohnungen sog. Zweitwohnungen sein dürfen. Jetzt stellen sich Umsetzungsfragen: Was ist mit Baugesuchen, die zuvor schon eingereicht wurden? Welches ist der richtige generelle Zeitpunkt für die Inkraftsetzung des Gesetzes? Was entspricht dem Willen des Stimmvolkes, was ist praktikabel?

Und bei so mancher Diskussion fragt man sich manchmal, wären solche Fragen nicht schon zuvor zu klären gewesen? Was ist mit Bestimmungen, die gegen übergeordnetes Recht verstossen? Und welches Recht geht dem Volkswillen überhaupt vor, zumal in einer so alten Volksdemokratie wie der unseren?

Überall dort, wo Volkswillen ins Recht gesetzt werden muss – oder wo Recht vor Volksmeinung allenfalls schützen kann oder muss, liegen die Knackpunkte, welche Medien in Deutschland (und Politiker) gerne mal vor Volksrechten warnen lassen.
Aber: Entscheidungen, welche überraschende Ergebnisse bringen, die Politiker auf dem falschen Fuss erwischen – und die Juristen womöglich auch, sind ein ganz wichtiges Korrelat dafür, dass sich Regierung, Volksvertretung und Volk nicht auseinander leben.

Was würde wohl aus aktuellen Debatten rund um Griechenland und Rettungsschirme für angeschlagene Euro-Staaten, was mit dem Steuerstreit mit der Schweiz, wenn sich jede vor die Brust getrommelte Volksrede schlussendlich an der Abstimmungsurne prüfen lassen müsste?

Die direkte Demokratie ist mühselig, auch fehlerhaft, mag sein. In letzter Konsequenz ist aber eine Politik, die sich die Zeit nimmt, die Bürger wirklich zu befragen, Komprommisse zu finden und Stossrichtungen im Umgang mit Nachbarn zu definieren, nie hetzend: Das ist kaum möglich, denn direkte Demokratie überprüft sich immer selbst, in Sachentscheiden, nicht im Heilsglauben für irgendwelche Personen.