Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Diese Schuld immer tilgen. Dringend.

∞  29 September 2012, 18:00

Keine Schuld ist dringender, als die, Dank zu sagen.

Marcus Tullius Cicero

Ja. Ganz einfach ja.

Edle Menschen fordern ein solches Dankeschön für ihre Gaben eh nicht ein, lassen dafür auch keine Schuld entstehen. Aber ich, der ich das Danke vergesse, vergebe mir die Gelegenheit, mir nochmals ganz bewusst zu machen, dass ein Moment, eine Sache, ein Liebding nicht mir gehören würde, hätte nicht jemand anders zu meinen Gunsten dafür gesorgt. Es steckt dahinter immer eine Aufmerksamkeit, geschenkte Zeit, materieller und spiritueller Einsatz, um jemand anderem zu sagen: Ich kann Dich gut leiden. Mit jedem Jahr, das ich erlebe, scheint es mir, als gäbe es immer mehr Dinge und Beschäftigungen, die genau dies immer seltener werden lassen: Den Aufwand, jemand anderem einen Happen Zeit zu schenken, der keine eigene Pendenz beendet, kein Geld bringt, keine Social Media – Statusverbesserung in Aussicht stellt: Es geht “nur” um die eine Sensation: Einen Menschen in meinem Leben, für den ich Sympathie empfinde.

Genau deswegen, weil es immer schwieriger wird, an andere zu denken und ihnen womöglich auch noch einen persönlichen Zeithappen zu schenken, haben Social Medias wie Facebook ja nicht nur den Reminder eingebaut, sondern sorgen mit virtuellen “Geschenken” auch dafür, dass der Form genüge getan wird.

Keiner kommt aber wohl auf den Gedanken, dem lieben Gott für einen schönen Tag via Facebook eine Torte zu schicken. Von Kindern wäre das wohl niedlich und gar aufrichtig gemeint – wir aber wissen, wie viel Wert das wäre und hätte – und dass Er es auch weiss.

Nein, wie wir mit unserem Alltag umgehen, wie grau oder eben blau wir ihn sehen – das machen wir offline mit uns selbst aus. Wir haben es in der Hand. Und wenn wir hier, im Dank für den schönen Tag, keine Stellvertretung brauchen, um einfach Danke sagen zu können, mit eigenen Worten, mit einem Moment der Ruhe und Stille, mit einem nochmaligen Erinnern, wie schön es war – dann häuft sich keine Schuld gegenüber unserer Lebenszeit an, sondern wir zünden das Feuer mit unserer Erinnerung an, mit unserem Erkenenn des guten Augenblicks, so dass wir uns reinkuscheln können in das Gefühl, durchaus immer wieder zu den Glückskindern gehören zu dürfen.

Darum ist es schön, dem Unviersum, Gott, dem Geschick, der Natur Danke zu sagen für einen Sonnenstrahl, einen erstmals beobachteten Käfer, ein Lachen eines Passanten, für jede unverhoffte Aufmunterung im Trott des scheinbar Bekannten. Es ist viel mehr Blau um uns herum, als wir am grauen Himmel vermuten würden.

Wir hatten in den Ferien sehr gemischtes Wetter – und doch hat es mich keine Minute bedrückt. Das Wetter wies uns Ruhezeiten zu – und sorgte dafür, dass wir die Sonne, wenn sie wiederkam, auch wirklich begrüssten. Und wir wanderten nie, ohne festzustellen, dass es sehr viel angenehmer ist, als wenn die Sonne heiss vom Himmel brennen würde. Ich bin dankbar für meine Art eines sehr kindlichen Glaubens, mit dem ich durch den Alltag gehe und immer wieder meinem Fährtenlenker danke – für eine Wahrnehmung, eine Beobachtung, einen Blick. Er kann mich so sehr das Sehen lernen. Ohne Gott gegenüber Süssholz raspeln zu müssen, kann ich ihm meine Zufriedenheit auch vorleben. Indem ich zum Beispiel die Kastanie in der Hand drehe, sie betrachte, als sähe ich dergleichen zum ersten Mal.

Ich weiss nicht, ob ich, wenn ich diese Aufmerksamkeit in trüben Zeiten nicht aufbringe, mir Schuld auflade. Aber eines weiss ich genau: Mir selbst gegenüber bin ich es mir schuldig, diesen Blick zu pflegen und nicht abzuwerten, was ich um mich habe. Darum: Schleunigst erkennen, wieviel Grund ich habe, Danke zu sagen. Und es tun. Nach innen wie aussen.