Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Die Zeit, die man hat

∞  9 Juni 2014, 23:36

Es ist nicht wenig Zeit,
was wir haben,
sondern es ist viel,
was wir nicht nutzen.

Seneca


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Diesen Spruch habe ich heute in einem Haus gefunden, dessen Haushalt aufgelöst werden muss. Und wie immer, wenn solches nötig wird, stösst man als Angehörige auf tausend Geschichten, deren Teil man vielleicht selbst war oder von denen man wusste. Und so manche kleine Unordnung zeugt davon, dass man etwas nicht wegwerfen oder wirklich versorgen wollte, weil man damit noch Pläne hatte. Die Schiffsreise, die nie gemacht wurde, die Geburtstagskarte, die Musse wünschte, viel mehr, als sie der Empfänger sich gönnen mochte – doch behalten hat er die Karte, nicht verloren in einem Buch, sondern oben aufliegend auf einem Stoss von Büchern.

Nun ist es zu spät. Für so Vieles zu spät. Und man wird im Alter von jenen Dingen eingeholt, die einen schon früher besonders umtrieben. So scheint es zumindest. Und je älter die Knochen werden, um so mühsamer sie bewegt werden, um so mehr schleicht die Zeit – doch sie schafft dabei keine neuen Möglichkeiten mehr. Nur die Wehmut, die bekommt Raum, und man bedauert als Jüngerer das Verpasste – mit einer bangen Frage: Werde ich es mal besser machen? Falsch: Mache ich es aktuell, ganz persönlich, besser? Wie nutze ich meine Zeit? Nehme ich sie mir? Es kommt die Zeit und der Ort, an dem ich mir diese Frage nicht mehr werde stellen können.

Es ist immer die richtige Zeit, dafür zu sorgen, dass wir Zeit haben.