Mein Schreiben. Täglich.

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Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Die verbale Faust ist auch nicht gerade harmlos

∞  22 Januar 2011, 20:17

Körperliche Übergriffe auf Politiker sind katastrophal. Die Redekultur ist es je länger je mehr auch.



Der SVP-Nationalrat Hans Fehr wird auf dem Weg zur Albisgüetli-Tagung von Linksautonomen auf der Strasse zusammen geschlagen. Die Albisgüetli-Tagung ist sei je her ein gelungener verbaler Kraftmeierabend der Zürcher SVP, an dem der stramme Kern der Parteibasis die ähnlich strammen Reden der Parteiführer beklatschen – bevor oder nachdem eine Person aus einer anderen politischen Ecke ein Referat halten kann.
So weit, so gut. Es wird – scheinbar – gestritten. Zumindest wird die andere Rede geduldet. Ob das der Beweis einer Streitkultur ist, wie Blocher behauptet, bezweifle ich. Formal bleibt es in jedem Fall ein Rededuell, oder, wie es Bundesrätin Calmy-Rey, die diesmalige Antipodin, formuliert hat, ein Kampf mit Worten statt Fäusten.

Nun, für den Moment, unter dem Eindruck tätlicher Angriffe auf Exponenten der SVP (mögen sie auch noch so stupiden Chaoten zugeordnet werden können), ist das eine passende Antwort.

Dennoch kann sich damit niemand der Verantwortung entziehen, die man immer dann eingeht, wenn man nicht nur eine Rede zur Standpunktvertretung hält, sondern mit dem Ziel, überzeugen zu wollen und zu einer Nachfolge zu animieren. Denn damit liegt das Ziel – und alsbald der Rausch – in der Bewegung der Massen, und damit wird eine Form der Verführung offen gelegt, welche auch in der Lust liegt, verführen zu wollen.
Es entsteht eine Bewegung. Bewegte Menschen aber haben schon entschieden. Oder noch schlimmer: Sie haben beschlossen, gewisse Entscheidungen anderen zu überlassen und sich führen zu lassen.

Wer also zu anderen spricht, wer schreibt, sollte sich immer bewusst sein, was er auslösen kann. Und so muss man sich immer fragen, ob man sich vor allem gerne hört – und ob es einem lästig wird, sich prüfen zu lassen.

“Die anderen” sind in Wahrheit jene, die wir brauchen. Widerspruch verhilft zur Präzisierung der Argumente. Leider ist oft nur eine Verschärfung der Töne auszumachen, und das Klima, das dabei beklagt wird, haben je länger je mehr auch die Gegenkräfte der SVP zu verantworten, wenn sie im gleichen Atemzug, indem sie mangelndes Demokratieverständnis orten, selbst Bilder beschreiben, die genau diese Form von verbaler Konfrontation fördern, die wir alle nicht gebrauchen können.
So ist die Aussage des CVP-Präsidenten Darbellay zu krititsieren, wenn er in seiner Eröffnungsrede am Parteitag der CVP vor der Häufung “von SVP-Parteisoldaten” im Ständerat warnt. Im Endeffekt wird damit die verbale Faust geschüttelt. Hüben wie drüben also gilt das gleiche: Ihr werdet bekommen, was ihr in Kauf nimmt.