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Die Trockenlegung von Wikileaks

∞  25 Oktober 2011, 20:16

Wir müssten mehr als hellhörig und aufmerksam beobachten, was im Zusammenhang mit Wikileaks vor sich geht: Die öffentlichen Statements und Druckversuche, mit denen amerikanische staatliche Stellen die Zahlungsdienstleister Visa, Mastercard, PayPal und die Bank of America veranlassten, die Geschäftsbeziehungen mit Wikileaks fristlos aufzulösen, sind beispiellos.


Und sie haben den gewünschten Effekt erzielt: Wikileaks kündigt an, bis auf Weiteres keine Dokumente mehr zu veröffentlichen, und sich stattdessen auf die Aufbesserung der Finanzen zu konzentrieren; mit einer neuen Spendenaktion, die dann auch alternative Möglichkeiten für den Geldfluss beinhalten muss, worauf man gespannt sein kann…

Mit dieser faktischen Blockade, welche unter dem Deckmantel der freien unternehmerischen Entscheidung, wem man eine Geschäftsbeziehung anbieten will und wem eben nicht, daher kommt, enthält ein Muster, das in Zukunft noch ganz andere Adressaten treffen könnte. Assange weist selbst darauf hin, indem er störrische NGO’s wie Greenpeace oder Amnesty International als mögliche Ziele ähnlicher konzertierter Aktionen erwähnt. Man mag dabei die Nase rümpfen, da es sich bei diesen Schwergewichten um ganz anders gewachsene und weltweit Glaubwürdigkeit besitzende Organisationen handelt, während man schon zur Person von Assange leicht höchst unterschiedliche Einschätzungen hören kann. Dennoch hat er recht, wenn er vor dieser Praxis warnt, und es genügt nicht, dass die UNO das Vorgehen der Fimren scharf kritisiert.

Interessant ist, dass Assange nicht die USA direkt für Druckversuche verantwortlich macht, sondern nur bemerkt, die Blockade der Geldinstitute stehe “ausserhalb jeder öffentlichen Kontrolle” und sei “weder demokratisch noch transparent”.

Tatsache ist: Hier handelten schwergewichtige, privatwirtschaftliche Unternehmen nach dem Willen der USA und gaben dabei konkretem Druck und öffentlichen Drohgebärden nach. Tatsächlich sollte man nicht so blauäugig sein, zu glauben, ein solches Beispiel könnte nicht Schule machen: Wenn wir uns für Datenschutz einsetzen und nach allgemeinen Regeln verlangen, dann tun wir das auch nicht unbedingt aus Misstrauen über die aktuelle Regierung – sondern weil wir wollen, dass sich, wer immer regiert, an entsprechende übergeordnete Regeln halten muss. Wie sehr sich die Welt ändern kann, und wie schnell damit die staatlichen Instrumente in neue Hände fallen können – wir dürften es alle in den letzten zehn Jahren beobachtet haben, und es ist wohl nicht besonders klug, zu meinen, solches geschähe bestimmt nur “weit weg”. Die USA ist uns wohl tatsächlich in diesem Sinn nahe genug, nicht wahr? Dass hier die Supermacht USA, selbsternannte Hüterin der Demokratie, durch eine ihrer Meinung nach ausser Kontrolle geratene Pestbeule dieser Demokratie herausgefordert wurde, und mit absolutistisch anmutenden Einflussnahmen für eine Korrektur sorgte, muss durchaus erschrecken. Genau so wie der eher laue Protest der Bürger, der auf jeden Fall nicht lange laut blieb. Das könnten wir durchaus mal noch bereuen. Es wird nicht leichter, Regierungen Grenzen aufzuzeigen, wenn die Krisen grösser werden. Und will man den Sinn und Geist des freien Redens und Handelns und entsprechendes Unternehmertum schützen, so müsste diese Begebenheit zu massivsten Protesten führen. Tut sie nicht.

Es ist nur zu hoffen, dass dies mehr gegen den Rückhalt von Wikileaks spricht als für das fehlende Demokratieverständnis der Völker.

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Artikel zum Thema:

Wikileaks stoppt Veröffentlichungen (zeit.de)

“Artikelsammlung”: http://www.mycomfor.de/Forum/Wikileaks-Julian-Assange/Wikileaks-Julian-Assange_42 (bis Juli 2011) zu Wikileaks

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