Mein Schreiben. Täglich.

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Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Die Schweiz wird weiter regiert. Hoffentlich.

∞  14 Dezember 2011, 23:07

Unsere Regierung ist neu gewählt. Oder alt bestätigt und ergänzt. Ab morgen geht es, Gott sei Dank, wieder um Sachpolitik. Wenigstens für fast alle Parteien. Rechts und rechts aussen steht aber auch viel interne Arbeit bevor.


Die Schweiz hat die Bundesratswahlen hinter sich. Eigentlich wollte ich nicht darüber schreiben. Es tun es ja alle anderen. Aber Fakt ist, dass ich mich heute den ganzen Tag ganz bewusst mit diesen Wahlen beschäftigt habe. Also fliesst darüber auch etwas in meinen täglichen Eintrag hier ein.

Bei mir dominieren folgende Eindrücke: Erstens und ganz zentral glaube ich, dass die Schweiz als neues Bundesratsmitglied mit Alain Berset einen im wahren Sinn des Wortes konkordanten Politprofi bekommt, der das Zeug dazu hat, zum Staatsmann zu reifen. Und solche Figuren werden wir in den nächsten Jahren sehr gebrauchen können. Zweitens wurde mit Evelyn Widmer-Schlumpf eine Politikerin im Amt als Bundesrätin bestätigt, die ganz bestimmt mehr Kanten und Profil hat als die vorgeschlagenen Alternativkandidaten der SVP sie mitgebracht hätten.

Diese Kante und entsprechendes Profil sucht die SVP weiterhin mit ihrer Platte, als grösste Partei ihre Ansprüche nicht zugesprochen zu bekommen und daher mehr Opposition machen zu müssen. O-Ton Blocher heute abend zur Frage zur zukünftigen Stategie:

Mehr Nein sagen.

Es wird höchst spannend sein, in den nächsten Monaten zu verfolgen, wie die SVP mit ihrem internen Nachfolgeproblem umgeht: Sie gleicht tatsächlich einem KMU-Betrieb, das seinem Patron viel zu verdanken hat – und sich von ihm nicht emanzipieren und ihn damit auch nicht loswerden kann. Dieser Mann wird mit seinem Grundverständnis von Politik und mit seinem Wahrheitsanspruch bis zum letzten Atemzug politisieren – und dabei Ränekspiele nicht fürchten, mit denen er jeden einigermassen klar denkenden Bürger zu veräppeln droht:

Die Art, wie er die Basler Zeitung über ein Finanzkonstrukt im Geheimen zu kontrollieren gedachte, die nun Hals über Kopf gefundene neue alte Lösung mit Tettamanti, mit der man weis machen will, sein Einfluss sei nun nicht mehr gegeben – das ist doch einfach alles nur lächerlich. Wie bitte soll sich denn eine unbegrenzte Defizitgarantie für ein Blatt auswirken, die, etwas rumgedruckst schlussendlich doch im Raum steht? Glaubt etwa jemand daran, der Unternehmer Blocher würde hier einen betriebswirtschaftlichen Vernunftentscheid fällen?

Es geht um Einflussnahme auf allen Ebenen, um das ständige Wettrennen um Macht, die er natürlich nur anstrebt, um mich vor Europa zu retten.

Ich glaube, wir werden das in den nächsten Jahren so was von satt bekommen, und es könnte für die SVP ein böses Ende nehmen. Denn es ist zu befürchten, dass hier interne Kontrollmechanismen nicht rechtzeitig greifen werden und der Erneuerungsprozess in der Partei von zu vielen alt eingesessenen Schlachtrössern verhindert werden wird.

Das deutlich grössere Problem könnte allerdings die FDP bekommen. Wenn man der Fraktionschefin Huber heute nach dem angekündigten Angriff der SVP auf Schneider-Ammann zugehört hat, dann konnte man sehr gut die Verärgerung , ja die Empörung über den Kurswechsel der SVP heraus hören. Nur stehen die Liberalen in der auf Konkordanz ausgerichteten Parteienlandschaft als jene Partei dar, die am wenigsten auf Bündnisse mit anderen Parteien zählen kann. Sie muss sich schleunigstens von der SVP abgrenzen, wird aber grosse Probleme haben, sich zur Mitte hin so zu positionieren, dass sie erkennbar eigenständig bleiben kann. Der zweite Bundesratssitz blieb ihr erhalten – vielleicht bekommt sie die Zeit und die Ruhe, jetzt an der Erkennbarkeit ihres Profils zu arbeiten.

Konkordant politisieren – das ist, in jeder Form der entsprechenden Abbildung der empfundenen Parteienstärken im Bundesrat, eine Verpflichtung der Politik gegenüber dem Volk. Gut, dass es ab morgen schon wieder um Sachpolitik geht. Und hoffentlich um die dringendsten Probleme des Landes.

Dann werden wir es auch verkraften, dazwischen unsere Energie mit erzwungenen Referenden und Volksinitiativen der SVP vergeuden zu müssen. In vier Jahren wird gewählt. Die SVP sieht sich als Betrogene bereits wieder im Wahlkampf. Daran ist gar nichts neu. Eine Lösung ist es auch nicht. Für gar nichts.