Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Die Mehrheit der Minderheiten

∞  28 März 2012, 17:58

Als Schaffhauser in Zürich, als Zürcher in Basel, als Tessiner in der Schweiz, als Romand in der Deutschschweiz, als Secondo in der Schule, als Frau im Beruf – ständig hat die Mehrheit von uns sich mit dem Lebensgefühl auseinander zu setzen, in der Minderheit zu sein, mit Folgen, die vom Schmunzeln bis zur Ausgrenzung alles enthalten können. Sage ich als Zürcher, der in Zürich lebt. Aber auch als Schweizer, der sich in Deutschland beruflich darstellen “muss”.

Es hat keinen Sinn, sich über vorgefasste Meinungen der anderen zu ärgern. Ich rate dazu, die Chancen zu sehen, die darin liegen: Wer unterschätzt wird, hat es manchmal sogar leichter, überraschen zu können. Oder: Ich kann mich in Deutschland darüber aufregen, dass sich alle wegen meiner Sprache amüsieren, über die Behäbigkeit, mit der die Sätze über meine Lippen kommen. Oder aber ich kann mich darauf konzentrieren, hell und wach zu denken und entsprechend schnell mal als pfiffig zu erscheinen:

Was uns die Mehrheit an Etiketten verpasst, sagt mehr über diese Mehrheit aus als über uns. Und durch die Tatsache, dass ich mich behaupten muss, ziehe ich daraus die Erkenntnisse darüber, wer diese Menschen “der Mehrheit” wirklich sind, während sie vielleicht noch über mein tatsächliches Profil im Dunkeln tappen. Geschieht mir das gegenüber einem Personalverantwortlichen, habe ich wohl tatsächlich oft einen schweren Stand, an den Punkt zu kommen, wo es wirklich um mich geht. Aber wenn, dann… Es ist gar nicht so schlecht, wenn die persönlichen Verbesserungen im Leben ein wenig erkämpft werden müssen. Man lernt, einen Weg zu gehen, hartnäckig zu bleiben, und kommt am Ende längerer Prozesse zur Erkenntnis, dass “wir” tatsächlich “von Euch” verschieden sind, dass gewisse Klischees sogar stimmige Beobachtungen enthalten, dass die aber nur gelten sollen, um uns das Vergnügen zu schenken, uns überraschen lassen zu können. Ja, wir sind in der Mehrheit verschieden. Gott sei Dank. Es macht unser Leben bunt, hell, weit und schön.