Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Die liebe unnötige Verwandtschaft

∞  1 Mai 2014, 21:44

Gibt es eigentlich Verwandtschaft, die völlig problemlos harmonisch gelebt werden kann? Ich weiss, es gibt auch kaum Beziehungen, die dies einfach so bejahen würden, zumindest nicht als Dauerzustand (warum eigentlich?). Aber ich will nicht abschweifen, ich will jetzt bei den Fisimatenten bleiben, die so durch die Verwandtschaftsrelationen geistern.

Wenn ein Freund erfährt, dass ich einen Erfolg gefeiert habe, oder dass ich glücklich über eine neue Freundschaft bin – was wird er machen? Richtig: Sich mitfreuen. Aufrichtig. Vielleicht kann er es nicht so gut zeigen – es gibt viele Menschen, die das nicht so gut können, aber er wird zumindest kein Problem haben mit meinem Glück. Für Verwandte möchte ich das nicht so leichthin behaupten. Verwandte mögen zwar glauben, sie würden mich kennen (woher eigentlich?), ganz bestimmt aber wissen sie besser als ich, was mir zusteht, was ich verdiene und wo ich gefälligst kleine Brötchen zu backen habe. Sie halten schon mal schnell fest, dass es mir womöglich bald zu Kopfe steigen werde (was genau?) – und in allem nährt sich alles durch diese Viper in der Blutbahn der Herzen: Den Neid. Woher nehmen eigentlich Verwandte den Anspruch, dass es dem andern nicht besser gehen soll als ihnen selbst? Sie würden eine solche Haltung natürlich rundweg abstreiten, aber es gibt keinen verheerenden Vergleich von Lebensentwürfen und -umstetzungen als den zwischen Verwandten.

Wenn in einer Sippe nur die Angehörigen einer Familie studiert haben, dann können diese Sippenmitglieder tun und lassen was sie wollen, man wird sie schnell der Hochnäsigkeit und Eitelkeit bezichtigen – womöglich natürlich leise bis still, denn diese Dinge funktionieren am besten, wenn man sie in sich hinein frisst, bis man es im Kreis der blutsverwandten Frustrierten endlich mal rauslassen kann.

Ich habe es in keiner anderen Konstellation so häufig erlebt, dass es Menschen wider ihre sonstige relativ gut ausgebildete Vernunft schafften, andere in einer queren Weise einzuschätzen, dass nur das Kopfschütteln bleibt. Und die Abkehr. Manche Konflikte lassen sich nicht vermeiden, selbst dann nicht, wenn man sie schon im Ansatz erkennt: Es kommt, wie es kommen muss – und es lebt sich künftig besser mit Distanz. Was in der heutigen Gesellschaft kein Drama mehr ist. Aber traurig bleibt es. Denn die so genannte Gesellschaft anonymisiert sich je länger je mehr. Auch deswegen suchen Freunde nach Lebensformen für den dritten Lebensabschnitt, die fern von verwandtschaftlcihen Bindungen und frei von sozialen staatlichen Programmen funktionieren können – mit Menschen, die sich auf einem Weg begegnen und austauschen wollen, als freie Individuen, die Inspiration sein können – und, eben, Gesellschaft, die zur Gemeinschaft wird. In einer Form, die all diesen Quatsch der langen Sätze hier oben nicht braucht.