Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Die Heimat auf meiner kleinen Terrasse

∞  25 Juni 2008, 14:33

Von verschiedenen Botschaftern meiner Heimat, die mir selbst eine ganze Menge zu sagen haben.


Ein ganz normales Mittagessen an einem Sommertag in der Schweiz. Der Spatz kehrt nach Hause zurück. Wir fühlen den Schatten mehr, als wir ihn sehen, und dann hören wir das Rascheln in der Regenrinne, wenn er sein Sandbad nimmt. Die Hummel umkreist die Lavendelblüten, und wenn es still genug ist und ich selbst ruhig werde, kann ich ihr Brummen hören, während sie Blüte um Blüte besucht – wie jeden Tag. Am Himmel kreist der Milan, die Schwingen ausgebreitet und sich im Aufwind im Kreis drehend, den Blick auf die Dächer des eng überbauten Quartiers gerichtet. Sein Schrei ist hell und ein bisschen klagend, aber für so manche Maus hört sich das ganz gewiss ganz anders an.

Ein Tag wie tausende vor und nach ihm, hoffentlich. Und doch soll er, mit diesem seinem Moment hier niedergeschrieben und verewigt, festgehalten werden. Denn ich möchte Sie, aber auch mich daran erinnern, wie ausserordentlich noch immer die Nähe der Natur bei uns sein kann – und wie speziell es ist, am Morgen das Gezwitscher der Vögel zu hören, kaum dringt Licht durch die Ritzen des Lamellenstorens.

In der Mongolei habe ich die Stille in endlosen Weiten geliebt, aber genau diese Vogellaute fast schmerzlich vermisst. Als hätte ich sie da, in den Weiten der Mongolei, zum ersten Mal gehört, ab der Festplatte meiner gespeicherten Erinnerung. Natürlich sind die Morgenlaute der Korellas, Gallas, Raben und Krähen in Australien auch exotisch gewesen – aber der Mix unserer Singvögel ist eigen. Er ist – ganz einfach – ein Stück Heimat.

Und während der Spatz seinen Spaziergang in der Regenrinne hörbar wieder aufnimmt, wünsche ich Ihnen einen frohen Nachmittag – und dass Sie den Geräuschen Ihres Lebens jenseits des Rauschens des Verkehrs neu begegnen können. Es ist alles andere als selbstverständlich, dass ein paar Bäume im Innenhof einer Stadtsiedlung schon ausreichen, um die unterschiedlichsten Vögel anzuziehen. Und wer weiss, zu was die Regenrinne an Ihrem Wohnhaus noch gut sein wird!


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[Bildquelle: © Grit Tresselt by Fotocommunity, “Spatz” ]


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