Mein Schreiben. Täglich.

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Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Soldat in der Falle

∞  15 Januar 2013, 18:43

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Man stelle sich vor: Die Protagonisten zweier gegnerischer Staaten empfänden es beide als persönliche Niederlage, sobald ein Schuss fällt. Weil sie den Blick vor der Absurdität des Krieges nicht verschliessen können, weil sie die grösste Schwierigkeit haben, Müttern ihre Männer zu nehmen, die selbst noch mehr Kinder sind und traumatisiert werden, bevor sie in irgend einem zivilen Betätigungsfeld eine Identität gewinnen könnten.

Aber es wird Krieg geführt. Es sterben täglich Kinder, Frauen, Unbeteiligte, es werden stündlich neue Traumatas geschaffen, unauslöschliche Brandmale in wunde Seelen gedrückt. Und jene, die töten, sind immer auch Opfer, entmenschlicht, blind, rasend, mit einem Tunnelblick, der einfach das Überleben sichern soll, dass man irgendwann, da vorn, wieder mit dem Leben anfängt – bis auch dieser Glaube schwindet und die Wände des Tunnels allgegenwärtig sind und enger werden.

Im letzten Jahr haben mehr amerikanische Soldaten Selbstmord begangen, als in Afghanistan gefallen sind. Das Kriegshandwerk ist ein absurdes, und die Rollenverhalten sind es oft auch. Wer Krieg führen muss, ist immer ein Verlierer.
Aber es ist uns viel zu wenig bewusst, wir schieben es schnell mal weg, denn, Gott sei Dank, führen andere Nationen “unsere” Kriege. Ja, davon gibt es immer wieder welche. Der Moralfinger ist oft von verlogenem Charakter, denn es ist uns allen wohl angenehmer, über die amerikanische Dekadenz zu lästern, als gegen das von mir aus objektiv gesehen noch so absurde (aber doch schleichend wirksame) Gefühl einer fremden Bedrohung. Und selbst das Öl, für das die bösen Amerikaner morden, verbrauchen wir gern weiter möglichst gedankenlos, weil es ja, eben, weiter fliesst.

Erst allmählich beginnen Staatengemeinschaften die letzte Verantwortung selbst zu tragen und in Lybien und andernorts auch solche Lasten zu teilen – wenn es dann keine Auswege mehr gibt. Es wäre zu schön, das könnte Schule machen… Aber je vielfältiger unsere Probleme werden, um so absurder das Aggressionspotential, das scheinbar wie durch ein Ventil entweichen muss, auf Inseln im südchinesischen Meer oder im schwelenden Grenzkonflikt zwischen Pakistan und Indien, etc. etc.

Der wichtigste Indikator aber, um wieder zum Soldaten zurück zu kommen, diesem im Grunde so schwachen Puzzleteil im Ganzen, dieser Manövriermasse im manipulativen Spiel: Wie geht ein Land mit seinen Veteranen um? Mies, ich weiss. Und auch dies ist in allen Ländern das Gleiche: Die Soldaten, die als Opfer erkennbar werden, rühren an ein Gewissen, das man vergessen will. Und es ist deren Elend, dass dies den Gesellschaften so gut gelingt.