Mein Schreiben. Täglich.

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Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Die Essenz im Dienst am Menschen

∞  29 Dezember 2012, 19:00

istockphoto.com/digitallead: “grandmother, sitting in a leather chair”




Ich wurde eben wohltuend vom Blitz getroffen: Ich habe einen Leserartikel aus der Zeit “aufgeschlagen”. Der Schreiber ist Altenpfleger und beschreibt in einem einfachen, relativ kurzen Artikel eindrücklich ein paar Eindrück seines Berufsalltags. Was mich aufgerüttelt hat ist der Titel: [1]

Damit es wertvollen Menschen gut geht


Bums. Wenig treibt mich so um wie die entlarvende Entwicklung in unserer Spital- und Altersbetreuung, wo immer weniger Leistung bei immer mehr Kostendruck immer sparsamer verteilt werden “muss”. Und ich wettere über Systeme, politische Entwicklungen, Demographie, Rentenverknappung und Belastungen für die junge Generation. Dabei verliere ich mindestens so sehr wie die Bürokraten auf den Bürostühlen das Entscheidende aus den Augen:

Es geht um Menschen. Um wertvolle Menschen, die noch immer etwas beizutragen hätten. Die wertvoll sind, weil sie uns rühren könn(t)en, bewegen, zum Nachdenken bringen, ja, zum Lachen.

Es werden an diesen abgeschobenen Orten der institutionalisierten Pflegeeinrichtungen Geschichten geschrieben, Leben gelebt, Weisheiten offenbart, Friedensschliessungen mit Leben und Tod erstanden, erkämpft, ermöglicht. Und was bekomme ich davon mit, was mache ich mir bewusst in all dem Klagen, dass wir unaufhörlich in diese eine Richtung marschieren, in der wir alles aufs Pekuniäre Problem reduzieren? Nichts von all dem Menschlichen, dem Hohen, dem, eben, Wertvollen.

Den Wert des Menschen und die Achtung vor seinem Leben sich immer wieder bewusst zu machen, sich selbst mit Begegnungen mit Menschen beschenkt zu wissen – das ist Heilwerdung bei allem Missmanagement, dem wir als Organisationen, als steuerbare oder eben drängende Masse unterliegen.
Wenn ich solche Sätze wie obigen Titel lese, dann überkommt mich wieder die Ahnung, dass im kleinen Einzelfall die grösste Frage des eigenen Lebens beantwortet werden kann: Erkenne ich, was wertvoll ist in mir und neben mir?

Es ist nicht verwunderlich, dass ich mich genau jetzt an die Weihnachtsgeschichte erinnere, die ich an der Feier dieses Jahr hörte: Ein abgewiesener Asylbewerber bekommt vom Amt einen Gutschein, um sich in einem Caritas-Kleiderladen eine warme Jacke gegen die Kälte geben zu lassen. Als er auf der Strasse einen Passanten nach dem Weg zum Laden fragt, will dieser wissen, warum er dahin wolle? Auf die Erklärung hin schenkt der Passant dem Mann seine Jacke. Der Asylbewerber kann sein Glück nicht fassen, denkt aber weiter, geht zurück zum Amt und gibt dort seinen Gutschein zurück: “Damit jemand anders profitieren kann, der es jetzt nötiger hat als ich.”

Es sind die kleinen Hilfreichungen, welche uns menschlich machen – und sie haben eine riesige Energie.


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[1] zeit.de – Damit es wertvollen Menschen gut geht
via
mycomfor