Die Bescheidenheit von Marc Aurel
Aus einer Ecke, aus der ich es nicht unbedingt erwartet hätte, bin ich heute mit einem Buch von Marc Aurel beschenkt worden.
Dieser römische Kaiser, der viel eher Philosoph war, interessiert mich schon lange. Wer hat noch nie ein Zitat von ihm gelesen oder gehört?
Also habe ich gleich ein bisschen darin schmökern müssen. Weit bin ich nicht unbedingt gekommen – und schon will ich was weitergeben:
Marc Aurel, “Selbstbetrachtungen”, Buch I/9
Ich habe mir abgewöhnt, mir für neue Lebens- oder Kalenderjahre Vorsätze zu fassen. Aber wenn ich es wollte und versuchte, so könnte ich mir ohne weiteres diese paar Zeilen vornehmen. Ich wäre mehr als beschäftigt. Nicht nur für ein Jahr, für ein halbes Leben, denke ich; um es noch zurückhaltend zu formulieren. Diese Künste haben die meisten Menschen wohl nie endgültig erlernt.
Was mich dabei besonders fasziniert, ist die spürbare Kultur in diesen vielen einleitenden Würdigungen seiner Lehrer: Sie zeugt davon, wie jeder einzelne von ihnen ein Glied in der Kette von Meistern ist, die alle nichts mehr im Sinn hatten, als neben Wissen, Fertigkeit und Geist vor allem auch Bescheidenheit und Demut zu lehren, auf dass das eigene Ego nie der tieferen Erkenntnis und der eigenen Entwicklung im Weg stehen möge.
Es wird seinen Grund haben, dass, in diesem Licht betrachtet, der folgende Satz sich mit kräftigen Widerhaken ganz besonders hartnäckig in meinem Hirn festsetzt:
Marc Aurel, “Selbstbetrachtungen”, Buch I/7
Wie oft wälze ich mich eigentlich geradezu in eigenen, vermeintlich so gelungenen Formulierungen, wo man die Dinge so viel einfacher sagen könnnte?
Nicht nur sind die wirklichen Wahrheiten einfach. Sie verlangen auch nicht nach rhetorischen Verzierungen. Rhetorik ist ein gutes Mittel, in einer Rede die Zuhörer oder in einem Text die Leser neugierig zu machen, zu sammeln. Der Kern einer Aussage aber wirkt doch durch sich selbst, wenn die Aussage denn wirklich einen Kern, Substanz hat. Verzierungen, Ausschmückungen sind oft hinderlich, einfach nur Firlefanz. Was schön tönt, animiert dazu, gehört zu werden. Was wahr wirkt, animiert zum eigenen Denken, zu Reaktion, Aktion statt Akklamation.
Ich glaube, Marc Aurel wird mich noch ganz gehörig am Wickel nehmen.
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