Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Deutschland wählt das Kreuz aus

∞  27 September 2009, 16:23

Die Wahlen in Deutschland dürften in der Schweiz mehr interessieren als bei früheren Gelegenheiten:
Das Verhältnis zu unserem nördlichen Nachbarn ist stärker gestört als je in den letzten dreissig Jahren, mag das so manchem Deutschen, der die Schweiz mit seiner nächsten Autofahrt Richtung Süden gleichsetzt oder mit dem (längst ins Reich der Märchen gehörenden) Nummernkonto in Zürich oder Genf, der in der Schweiz höchstens mal Ferien macht und ansonsten uns auch ganz putzig findet, nun seinerseits interessieren oder nicht. Ein astronomisch verschuldeter Wirtschaftsgigant mit einer sich immer mehr zerfleddernden Parteienlandschaft wählt eine neue Regierung. Die Deutschen machen ein Kreuz, um “zu bestimmen”, wessen Kreuz sie die nächsten vier Jahre tragen. Danach wird nach ihrer Meinung wieder fast so wenig gefragt, wie nach der unseren.
Ich denke jedes Mal, dass es eigentlich unglaublich ist, Demokratie auf die theoretische Möglichkeit zum Widerspruch zu reduzieren.
Und während ich letzte Woche durch Berlin flanierte, habe ich mich mit meinen Deutschland-Erfahrungen der letzten Jahre in den Medien und durch Politiker versöhnt. Die Menschen in Deutschland begegen mir nämlich sehr wohl sehr gastfreundlich, aufgeschlossen und wohlwollend. Ich fühle mich wohl im Norden. Und wundere mich in der Kneipe gegenüber schon mal zusammen mit Einheimischen über das Bild, das die Bundeskanzlerkandidaten Merken und Steinmeier auf den aktuellen Plakaten so abgeben. Gegensätzlicher könnte es nicht sein:
Da der Herr Steinmeier, der mit positivem Gesichtsausdruck grossformatig von oben ins Bild guckt, mit einem Lächeln im Gesicht, das Mut im Blick suggeriert und damit ein Stück Zukunftsglauben. Wie war es nur möglich, dass dieser Mann sich jahrelang eine viel zu enge schwarze Nickelbrille in den Kopf drücken konnte? Daneben die Frau Merkel, im grünen Jacket, mit ihrer typischen Handhaltung: Sie wirkt, als schaute sie leicht nach oben in die Kamera (obwohl der Aufnahmestandpunkt ein anderer ist) wie eine Frau, die man auf dem Einkaufsgang angehalten und für eine Umfrage überredet hat. Leicht erschreckt blickt sie aus dem schwarzen Nichts und wirkt dabei ziemlich ratlos. Wie so ein Bild zum Kernmotiv einer Wahlkampagne werden konnte, in der Schlussphase der Wahl? Ich würde die Werbeagentur gerne fragen, was sie sich dabei nur gedacht hat? Die Gegensätzlichkeit der Wahlplakate symbolisiert tatsächlich plakativ die Tendenzen im Schlussspurt dieser Wahl. Wie weit reicht der Stimmungsumschwung bis heute abend?



23h07:
Stimmungsumschwung? Steinmeiers letzter Atem hat also höchstens ein noch grösseres Debakel der SPD verhindert. Und die Sieger haben immer alles richtig gemacht. Womöglich sogar die Wahlplakate…