Mein Schreiben. Täglich.

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Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Deutsche Arbeitsämter als Handlanger von Schmarotzern

∞  9 September 2007, 09:28

Einmal in fremder Sache



Ich sage nicht, dass das hier zu Schildernde in der Schweiz nicht oder nicht ähnlich passieren könnte. Ich weiss es schlicht nicht.

Von diesem Fall aber weiss ich, und auch wenn man sagen kann, dass ein Schweizer hier die Klappe halten sollte, werde ich genau das nicht tun. Vielleicht wissen Leser, egal woher, in dieser Sache Rat, oder kennen ähnliches, und machen mal ein bisschen Zoff – noch besser wären juristische Gegenstrategien.

Ich habe gelernt, dass in Deutschland Arbeitslose vom Arbeitsamt für Praktikas vermittelt werden können. Die Idee: Die Arbeitslosen leisten beim interessierten und geneigten Arbeitgeber, vom Arbeitsamt vermittelt, eine Probezeit von x Wochen ohne Lohn, wobei ihnen für den Anschluss eine Festanstellung in Aussicht gestellt wird, wenn sie sich bewähren.

Typischerweise handelt es sich dabei um Arbeitsverhältnisse, die für Arbeitnehmer ohne sehr qualifizierte Berufsbildung zugänglich sind, zum Beispiel um Jobs in Tankstellen, die von Angelernten nach zwei, drei Tagen schon mit annähernd vollwertiger Arbeitsleistung verrichtet werden können – vor allem dann, wenn es Menschen sind, die das Messer eh schon am Hals haben.

Der Ablauf ist dabei ganz offensichtlich sehr häufig in absolut fataler Weise gleich:
Das Praktikum wird geleistet, z.B. für vier Wochen, dann gibt es einen Vorwand, weshalb die Festanstellung nicht erfolgen kann, und es kann durchaus ein zweiter „Test“ für – acht – Wochen folgen. Oder das Spiel wiederholt sich mit einem neuen Praktikanten.

Unglaublich daran ist nicht nur die ausbeuterische Praxis der Arbeitgeber, sondern die Rolle, die das Arbeitsamt spielt: Es macht sich zum Handlanger des Arbeitgebers und schädigt seine Klienten gleich doppelt:

Es raubt vor allem den Arbeitslosen, die schon Hartz-IV-Empfänger sind, die letzte Energie (es kann bei Nichteingehen eines solchen Praktikums auch noch die Kürzung der Grundleistungen von 30% drohen) – und diese „Klienten“ des Arbeitsamtes stellen für normale Stellenbewerber eine unüberwindbare Konkurrenz dar:

Kein Arbeitgeber, der eine Stelle auszuschreiben hätte, wird sie fest vergeben, wenn er – wenn möglich bereits mehrmals – die Erfahrung gemacht hat, wie er unbezahlte Hilfskräfte bekommen kann. So macht das Arbeitsamt seinen Job doppelt falsch:
Es arbeitet gegen seine bestehenden Schützlinge und nimmt faktisch ein Stellenangebot vom freien Markt.
In ähnlicher Weise soll der „Report München“ der ARD am 27.8.07 auch berichtet haben. Siehe Focus-Artikel.

In der Schweiz diskutieren wir Arbeitseinsätze gegen geringes Entgelt von Sozialhilfe-Empfängern oder ausgesteuerten Arbeitslosen für gemeinnützige Aufgaben, z.B. in der Waldpflege oder für den Unterhalt von Spazierwegen. Dagegen ist auch nichts einzuwenden, denn hier wird Leistungsempfängern vom Leistungsgeber eine Gegenleistung aufgetragen – ohne dass ein privatwirtschaftliches Unternehmen als dritte Partei profitieren würde. Ein solcher Dienst kann das Selbstwertgefühl sogar steigern, anstatt es definitiv in den Boden zu treten.

Prompt kann es dann wohl geschehen, dass ein Gärtnereibetrieb müffelt, dass ihm auf diesem Weg ein Auftrag entgeht…

Die in Deutschland offensichtlich um sich greifende haarsträubende Praxis scheint mehrheitsfähig zu sein – denn damit kann auch die Wirtschaft vordergründig gut leben. Die soziale Sprengkraft baut sich im Verborgenen auf.

Mich treibt dabei ein Einzelschicksal um und bringt mich um den Schlaf. Was ja nicht selten sehr viel eindrücklicher ist als die Schilderung eines generellen Problems.

Ich bitte aber meine Bekannte, diesen Beitrag in diesem Blog nicht zu kommentieren. Ich habe ihn aus eigenem Antrieb – so anonym wie möglich – verfasst, denn ich will helfen, und keine persönlichen Probleme verschärfen.

Keine Ahnung, was die Bloggerszene in Deutschland zu diesem Thema bewirken könnte. Sie ist ganz sicher stärker als die Schweizer Szene, aber schwächer als die französiche oder gar die amerikanische. Aber vielleicht ist der Zeitpunkt gekommen, dies neu zu testen und ein Blog einzurichten, in dem direkt Betroffene ihren Fall wahrheitsgetreu schildern können. Schlussendlich ist dies ein politisches Problem, das mit rechtlich verbesserten Normen gelöst werden muss. Und die grösste Macht kann immer noch vom Volk ausgehen – so das Volk und damit auch die Blogger es wollen!

Der hier geschilderte Fall geschah in diesen Tagen, kann also nur ein weiterer Grund sein, dass etwas geschehen muss. Die Praxis wird sich nicht auf Grund einzelner Artikel wie jenes im Focus ändern.

Mit dieser Anregung hört dann wohl meine mögliche Einflussnahme auf – ich kann mich nicht erdreisten, jenseits des Zauns aufwischen zu wollen, aber etwas aufwirbeln muss schon sein – nur schon, um dem Gemüt meiner Bekannten etwas Gutes zu tun!



Fundstück: Repuhan