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Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Der Verrat der Schweizer Europarats-Parlamentarier

∞  2 Juli 2010, 20:10

Was wir nicht alles ins Feld führen für die Werte der Demokratie, nicht wahr?
Es ist DAS Regierungssystem, dem wir zubilligen, dass es die Interessen der Bürger am besten respektiert, ja, dass es sie vertritt. Im Grunde macht uns erst die Demokratie zu Bürgern. Menschen, die in einem gemeinschaftlichen Raum gemeinsam leben, im Dialog mit einander stehen und ihre Angelegenheiten unter einander regeln, mit wechselnden Mehrheiten – und stets im Bewusstsein, dass man vom Teil der Mehrheit zum Teil der Minderheit werden kann.

Die Schweiz versteht sich nicht als einziges Land als sog. Willensnation – aber kein Land liefert so oft und so eindrücklich immer wieder den Beweis dieses bewussten Willens zum Zusammenhalt – bei unterschiedlichsten Meinungen. Und kein anderes Land ist genau auf diesen Vorgang so sehr angewiesen wie wir. Die Schweiz ist ein sehr kleiner Staat mit verschiedenen einheimischen Kulturräumen in vier Sprachräumen – und zudem noch ein Einwanderungsland mit einem sehr hohen Ausländeranteil. Gestärkt und getestet wird unser System und die politische Diskussion durch das Wesen der direkten Demokratie und, was immer wieder vergessen geht, durch einen starken Föderalismus.

Das Wesen unserer dirketen Demokratie garantiert nicht, dass durch ihre Entscheide keine Grundwerte verletzt werden. Diskriminierungen, subjektiv empfunden oder gar objektiv feststellbar, sind nicht ausgeschlossen. Die Geschichte der Schweiz kennt aber eine Selbstverständlichkeit, von der ganz offensichtlich ganz Europa überfordert wird:
Ein demokratisch gefasster Volksentscheid wird nicht dadurch nichtig, dass er eventuell diskriminierende Elemente enthalten könnte. Er bleibt demokratisch gefasst und gültig – weil unser System die Mittel kennt, solche Entscheide auch stets korrigieren zu können.

Es gehört zum Wesen unserer Demokratie, dass wir uns autonom mit unseren Volksentscheiden auseinander setzen und sie dann korrigieren, wenn sie den sozialen Frieden zwischen uns gefährden. So hat die ganze Schweiz über uns gelacht, weil wir sehr lange kein überall geltendes Frauenstimmrecht kannten – aber wir wussten zumindest um die vorhandenen Widerstände und haben uns damit auseinander gesetzt, haben uns damit auseinandersetzen müssen.
Die berühmte Initiative Gegen den Bau von Minaretten im letzten Herbst ist nun ein neues Beispiel, das, wenn auch eher auf einer symbolischen Ebene, die Frage nach Diskriminierung einer Bevölkerungsgruppe aufkommen lässt. Der Entscheid aber ist demokratisch gefällt worden – und er hat demokratisch behandelt zu werden – dazu gehört auch die Respektierung des Entscheids als Ist-Votum des Volkes, gerade hier, wo 53.4% der Stimmbeteiligten zu 57.5% die Initiative bejaht haben. Gegeninitiativen sind jederzeit möglich, die Überprüfung durch Gerichte bleibt vorbehalten.

Parlamente aber haben nach meiner tiefsten Überzeugung diesen Entscheid der direkten Demokratie in einem Land, das den Volksentscheid als oberstes Willensinstrument der Nation kennt und damit sehr stilsicher und verlässlich Demokratie seit fast zweihundert Jahren in reinster Form vorlebt, zu respektieren.
Es ist für mich daher erschreckend, zu lesen, dass der Europarat die Schweizer Behörden dringend auffordert,

ein Moratorium über das Bauverbot von Minaretten zu erlassen und dieses so rasch als möglich ausser Kraft zu setzen.

Dass der Europarat zu diesem Ergebnis kommt, ist die eine Tatsache, die ich als Demokrat unglaublich finde, die absolute Katastrophe aber scheint mir, dass die sechs Schweizer Parlamentarier, die Mitglied des Europarats sind, gegen den eigenen Volksentscheid mit Ja gestimmt haben, oder es gar nicht notwendig fanden, für diese Abstimmung im Saal zu sein:

Mit Ja stimmten:
Dick Marty, FDP, Tessin
Theo Maissen, CVP, Graubünden
Francine John-Calame, Grüne, Neuenburg
Andreas Gross, SP, Zürich
André Bugnon, SVP, Waadt
nicht im Saal:
Felix Müri, SVP, LU

Im Artikel können verschiedene “Erklärungen” nachgelesen werden. Sie sind für mich schlicht windig und machen die Sache nur noch schlimmer. Skandalös bis einfach nur bedenklich bezüglich des eigenen Demokratieverständnisses ist es für mich, wenn in dem Zusammenhang angeführt wird,

- die Sache sei so schlimm auch nicht wieder nicht, denn eine Resolution des Europarates bewirke ohnehin rein gar nichts (Müri)
oder Tocqueville zitiert wird: – “Die Tyrannei der Mehrheit muss verhindert werden” (Gross). Und dieser weiter:
“Wenn nicht das Bundesgericht, so werde spätestens der europäische Gerichtshof für Menschenrechte die Umsetzung der Minarett-Initiative verhindern. Eine solche Resolution sei deshalb “Pflicht” für den Europarat.”

Meine Herren – Sie haben als Parlament zu funktionieren und damit als Volksvertreter. Eine Resolution gegen einen demokratischen Volksentscheid des eigenen Landes zu unterstützen, betrachte ich als Verrat am Volk und als direkten Angriff auf unsere Verfassung. Ich habe auch keine Legislative gewählt, welche meint, einem Entscheid einer Judikative vorauseilend folgen zu müssen. Ich will vielmehr die Gewaltentrennung stützen – erst recht, wenn ich lese, wie Sie in Brüssel wie schlappe Windfahnen in den Sesseln hängen – wenn überhaupt.
Meiner Meinung nach gehören alle diese Parlamentarier aus ihren Sesseln in Brüssel entfernt.