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Der unmögliche Sexismus-Hype

∞  30 Januar 2013, 20:44

istockphoto.com/MHJ:
“Battle Of The Sexes”

Ich habe mich furchtbar geärgert, als die neue Debatte über den “Sexismus in unserer Gesellschaft” begann. Mittlerweile ist der Ärger etwas verraucht, und tatsächlich gibt es zahlreiche Kommentare und Artikel, in denen man und vor allem frau versucht, die Dinge gerade zu rücken.

In der Tat ist der Vorstoss der Frau Himmelreich im Stern [1], wo sie den Herrn Brüderle als sexistischen Gockel zum Schafott führt, oder der Begleitschuss des Gespanns Franziska Reich und Andreas Hoidn-Borchers in der gleichen Postille [2], einfach nur peinlich. Dass die Aussagen vielleicht gar nicht diffamierend sind, weil so gar wahr, machen sie nicht weniger infam. Die wirklich zugrunde liegende Haltung wird in Sätzen wie diesem offenkundig:

… wie Brüderle und die anderen schamlosen Böcke in Nadelstreifen. …


Was ist denn das für eine miese herunter gekommene Art von Journalismus? Der Knüller kommt im Post Scriptum:

P.S.: In der Erstfassung des Textes haben wir auch über Rainer Brüderles Ehe geschrieben. Wir haben uns dazu entschlossen, diese Passage zu streichen, denn es geht uns allein um das sexistische Verhalten von Politikern, nicht um ihr Eheleben.


Ach nee. Das Prinzip ist aber spät geboren worden. Immerhin hat es zu einer ersten, nicht mehr rückholbaren Veröffentlichung gereicht, und die Besinnung kam wohl erst mit dem Schrecken, als den Journalisten auf die Finger geklopft wurde.

Das ist alles so armselig durchsichtig, dass darob jede Debatte über die wirklich diskutablen Eigenschaften und Verhaltensweisen des Herrn Brüderle als Parteipolitiker torpediert wird.

Das einzig Gute an diesem Kanaillenjournalismus ist wohl, dass ein paar falsche Speerspitzen gegen die ach so gebeutelte und sexistisch ausgebeutete Berufsfrauenschaft abgebrochen sind: Es ist sehr wohltuend, wie viele Stimmen hier gerade rücken wollen, was in völlig überrissener Weise generalisiert zum besten gegeben wurde, wonach man hätte meinen können, Männer würden mit nur mühsam unterdrücktem Geifer durch die Gänge ihrer Firmen streifen, immer auf der Suche nach einem kurzen Rock, den sie angaffen und womöglich anblaffen können.

Diese Art der Debatte ist im Grunde keine Sekunde Zeitverschwendung wert und geht wohl vorbei wie eine Grippe. Wenn da nicht Folgen wie diese hier wären: Berufskollegen, die durchaus nicht an Verfolgungswahn leiden, erzählen mir, dass sie mittlerweile einem inneren Impuls folgend den Lift wieder verlassen, wenn sie sich allein mit einer Frau darin befinden…

Mann will sich schon gar nicht in die Gefahr begeben, einer sexuellen Belästigung verdächtigt oder einer solchen beschuldigt werden zu können. Denn wir sind längst so weit, dass solche Anwürfe auch schon mal als Waffe eingesetzt werden.

Unsere schöne feine Gesellschaft ist einfach so was von bescheuert…

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[1] stern.de – nichts weiter als respekt – der herrenwitz
[2] stern.de – der spitze kandidat
sehr lesenswert: the european: Dann mach doch die Bluse zu

via mycomfor