Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Der Traum

∞  12 Juli 2007, 17:20

Manchmal träumt er. Nein, er träumt nicht von Reichtum, Sorglosigkeit, Ruhm, Erfolg. Er träumt davon, eine Geschichte zu schreiben. Wahrscheinlich gerade deshalb, weil er keine Ahnung hat, wie er das bewerkstelligen könnte. Und er mag auch nicht darüber nachdenken und sich den Kopf nach Strukturen und Konzepten zermartern. Denn täte er es doch, so würde er beim kleinsten Stocken die Sache verwerfen, weil er dann überzeugt wäre, die Mühe machte keinen Sinn, weil am Ende sein Schreiben an sich, in seinem Handwerk, schon im Scheitern enden würde.

Das aber wäre doch gar nicht so schlimm! Denn tatsächlich ist nur schon der Versuch eine Freude, die ihm Selbstvergessenheit schenkt, das Wegfallen der Zeit, das Abfallen allen Sorgens in der einzigen Sorge, wie der nächste Satz denn gesetzt werden sollte?

Und so träumt er davon, wie er vor einem Blatt Papier sitzt, ohne vorgefasste Absichten, als ihm ein Bild deutlich wird, ein einziger, heller und klarer Gedanke. Und so beginnt er zu schreiben.

Die Regenwolken hingen so tief und bewegten sich so langsam, dass sich Boll von ihnen vorwärts geschoben fühlte in einen Tag, dem er nicht gerufen hatte und in dem er sich auch nicht willkommen glaubte.

Er nimmt die Hände von den Tasten. Das Bild so klar, so hat er doch quälend lange nach den Worten gesucht, und das, scheint ihm, ist auch deutlich zu spüren. Missmutig überlegt er, die eben angefangene Datei zu löschen und ein paar Bytes dem Vergessen vor die Füsse fallen zu lassen. Und doch weiss er, dass es genau das ist, was er allenfalls kann: Starten und sich dabei losschreiben, wild, ungeordnet, hastend – oder eben zögernd. Er will bei eben diesem einen Satz bleiben, bis er ihn loslassen kann. Sei es, dass er nun so klingt, wie er gefühlt wird, oder weil nicht länger quält, was einfach nicht oder noch nicht auszudrücken ist.

Diesen Ernst möchte er vor allem anderen lernen: Trost finden in der Form, im einzelnen Gedanken, der auf Papier nicht eingefangen, aber darauf gelegt wird, so dass er zwischen den Worten weiter gedacht werden kann. Beim Lesen aufgenommen, weiter lebend, sich für jeden anders zeigend, hergegeben, angeboten, zum Mitnehmen geeignet und doch auch zum Bleiben bestimmt, so dass die immer gleiche Person ihn immer neu lesen, gebären und deuten kann, verstehen vielleicht, ganz sicher aber tragen.

Bis er eines Tages vielleicht das Eigene nicht mehr widerspiegelt, Geschichte wird, aber noch immer für andere das Gleiche bewirkt auf seinem Papier: Anregen.

Er beschloss, die obigen Sätze stehen zu lassen, liess die Tastatur ruhen, speicherte das „Dokument“ und hoffte, dass er wieder in seine Sätze finden würde, statt nur davon zu träumen. >...



Bild: logbuch isla volante